Donnerstag, 7. Juni 2012

Habana inside

La Habana fühlt sich immer mehr wie Heimat und immer weniger wie Urlaubsort an. Das liegt vor allem an der Routine, die ich hier schon habe. Jeden Tag um acht gibt es Frühstück in der Casa Particular, das mir der Vermieter, Erik, selber macht. Dann beginnt um neun mein Spanischunterricht, den mir seine Freundin, Rosalita, gibt. Der Unterricht dauert bis halb eins, dann dusche ich, zieh mich an und werde von meiner neuen Schwiegermama Kireina abgeholt und wir fahren nach La Palma, einen Vorort von Habana. Dort wartet mein kubanischer Boyfriend Obebi (ich schreib den Namen sicher falsch aber egal) und die restliche Familie auf mich und dann wird gekocht, getrunken und abgehangen. Falls sich jemand fragen sollte, warum ich nach 3 Tagen schon einen Boyfriend habe: ich wurde nicht gefragt, das wurde beschlossen. Da ich das alles wahnsinnig lustig und absurd finde, habe ich mich dazu entschieden, einfach mitzumachen. Ich habe Kireina gleich am ersten Abend kennengelernt, als ich mir ein Eis im Cafe um die Ecke holen wollte. Sie saß mit ein paar Freunden am Tisch und trank Bier und sie haben mich zu sich eingeladen. Ich bin bis nach Mitternacht geblieben, obwohl ich da noch wirklich kaum zusammenhängende Sätze herausbrachte. Mittlerweile spreche ich nur noch Spanisch, es ist unglaublich, wie schnell ich lernen kann, wenn ich motiviert bin. Leider bin ich das ja fast nie. Kireina hat mich zur Geburtstagsfeier ihres Hundes Canabis am Samstag eingeladen, damit ich das richtige, kubanische Leben kennenlerne, abseits von dem Touristenkram. Als sie am nächsten Tag mitbekommen hat, dass ich mich mit einem jungen Mann aus der Nachbarschaft für den Abend verabrede, ist sie gleich energisch eingeschritten und meinte, das geht so nicht, der ist viel zu hässlich, ich müsse unbedingt morgen zu ihr Mittagessen kommen, weil ihr Sohn sieht viel besser aus. Und da man so ein Angebot schwer abschlagen kann, bin ich am nächsten Tag mit ihr per Sammeltaxi eine halbe Stunde lang in den fast schon ländlichen Vorort La Palma gefahren. Dort gibt es keine kolonialen Häuser mehr, dafür Bananenpalmen und tropische Blumen. In Kireinas Haus gibt es zwar kein fließendes Wasser, dafür richtige Betten, in kubanischen Wohnungen keine Selbstverständlichkeit, wie ich früher schon gelernt habe. Als ich den Sohn dann gesehen habe, bin ich halb in Ohnmacht gefallen, weil er natürlich schweinegeil ist, so wie fast alle Kubaner halt. Er hat mich zuerst 2 Stunden lang komplett ignoriert, was in Kuba ein klares Zeichen dafür ist, das jemand auf dich steht. Währenddessen haben Mama und Tante abwechselnd auf mich eingeredet, wie toll er nicht ist. Dann kam die aktive Flirtphase (ich glaube das ignorieren dient dem Spannungsaufbau) und im Flirten sind die Kubaner so unglaublich lustig, also vermutlich für Europäer zumindest, weil sie so Flirten, wie man es eigentlich nur aus ganz schlechten, leicht schmuddeligen 60er-Jahre-Liebesfilmen kennt. Nämlich mit zuzwinkern, Kussmünder zuwerfen, Arm um die Schulter legen, etc. Dabei sind sie aber todernst und machen das alles mit einer ultracoolen Gangsterattitüde. So auch Obebi, und nach ein paar Stunden dachte ich mir dann, naja, wenn das jetzt alle hier so glücklich machen würde, wenn ich mit ihm schmuse, wieso dagegenstellen? Wieso nicht mal ein, äh, Opfer zum Wohle aller bringen? Nun fahre ich täglich raus, um mir meine Portion kubanische Realität zu holen. Gestern war ich zum ersten Mal auf einer Party. Also nicht in einer Disco sondern privat. Als erstes musste ich mich vor einen Santeria-Altar (die traditionelle Religion neben Katholizismus in Kuba) knien, 3 Euro für das Geburtstagskind herschenken und dann mit einer Glocke über lauter grellbunten Kuchen bimmeln. Dann dachte ich, man bietet mir einen Stuhl an, in Wahrheit war es aber irgendein religiöses Dings, das ich mit meinem Arsch entweiht habe. Aber zum Glück fanden es alle lustig. Fast die ganze Zeit bin ich dann neben der Tanzfläche gesessen und hab den Gästen beim tanzen zugesehen. Man kann es sich nicht vorstellen, wenn man es nicht erlebt hat. Kubaner beim Tanzen sind das schwulste, was es gibt auf der Welt. Erstens tanzen fast nur die Männer. Zweitens ziehen sich alle das Tshirt aus, es tanzen Alte und Junge, Muskulöse und Dicke. Und dann tanzen sie, als ob sie Geschlechtsverkehr haben würden, mit zuckenden Unterleibern, kreisenden Hüften, zum Teil schmeissen sie sich auf den Boden, jung wie alt, völlig egal. Ich bin ständig zwischen völlig verblüfft und todlachen geschwankt. Aber sinnlos es zu beschreiben, man muss es wirklich gesehen haben. Mein Boyfriend hat natürlich am ordinärsten von allen getanzt, was mich mit großem Stolz erfüllt hat. Nach der Party gab es noch ein vegetarisches Abendessen für mich, auch wenn ich den Eindruck habe, sie halten mich alle für völlig bescheuert, weil ich kein Fleisch esse. Sie erzählen das auch immer neuen Leuten, denen sie mich vorstellen und dann lachen alle. Aber ich finde es ja eh sehr schön anderen eine Freude zu bereiten.

Sonntag, 3. Juni 2012

Habana, mon Amour

Man verzeihe mir die einmonatige Schreibpause aber in Kuba ist es leichter sich stündlich neu zu verlieben als ins Internet zu gehen. Internetzugängen gibt es nur in Hotels und die sind so langsam wie in den 90ern und so teuer als würde jede Email auf Büttenpapier handgeschrieben werden. Da vergeht einem schnell die Lust überhaupt noch irgendetwas mit der Außenwelt zu kommunizieren. Ganz davon abgesehen, dass ich in der Sekunde, in der ich den Fuss auf kubanischen Boden gesetzt habe, mein vorheriges Leben völlig vergessen habe. Eigentlich fing es schon mit dem ersten Blick auf die Insel vom Flugzeug aus an. Ein helltürkises Meer, ein paar kleine, verstreute Atolle aus weißen Sand, ein paar Puffwölkchen darüber und sonst nichts außer blauer Himmel. Irgendwann taucht dann in einer Nebelschwade plötzlich das gewaltige Festland auf mit seinen satten, schweren Tropenwäldern und den rostroten Tabakfeldern. Ich weiß nicht genau, was es so anders macht. Ich war ja nun doch schon in ein paar tropischen Ländern. Aber nichts sieht wirklich vergleichbar aus. Vielleicht ist es die fehlende Werbung. Es gibt im ganzen Land keine Werbung außer die der Regierung für sich selbst. Patria o Muerte, Hasta la Victoria Siempre, das ganze Kasperltheater eben.  Und selbst die besteht nicht aus gedruckten Plakaten sondern aus Wandmalereien. Jeder Reiseführer vergleicht einen Kubabesuch nach spätestens 10 Sätzen mit einer Zeitreise in die 50er und dem ist auch wirklich so. Selten drängt sich postmoderner Tand wie neue Protzautos oder Reggaeton-Musik ins Bewusstsein aber darüber freut man sich dann eigentlich genau so wie man sich im Westen über Nostalgisches freut. Die Leute jedoch sind genau so gekleidet wie überall, zumindest die, die es sich leisten können. Glücklicherweise ist es sehr heiss und  schwül und darum haben alle nur ganz wenig an. Das mag in Österreich eine traurige, schlimme Sache für alle Beteiligten sein, in Kuba hingegen möchte man jeden Tag auf blutenden Knien in die Kirche rutschen und Gott für die Erfindung des Unterleiberls und der spanischen Kolonisierungspolitik danken. Die Kubaner sind nämlich das schönste Volk auf Erden. Gut, ich war noch nicht überall und habe bestimmt nicht alle ethnischen Gruppen dieser Erde optisch studiert. Aber ich halte es für völlig ausgeschlossen, dass es irgendwo anders noch besser sein kann. Beinahe jeder, egal welches Alter, hat einen Adoniskörper. Ich bin mir nicht sicher, ob das an erblicher Veranlagung, harter körperlicher Arbeit oder viel Zeit für Sport und Spiel liegt. Aber selbst die 60jährigen schauen aus wie bei uns nur 20jährige McFit-Junkies aussehen. Die 12jährigen Kinder übrigens auch. Ich hab (geschätzte) 8jährige mit Sixpack gesehen. Und als ob das alleine schon nicht genug Demütigung wäre, ist jeder Dritte auch noch so schön, dass man sich eine SEHR ernsthafte Beziehung vorstellen könnte. Bei jedem Zehnten fällt man einfach in Ohnmacht. Aram, mein Cousin, mit dem ich in Kuba war, sind eine Woche lang hauptsächlich spazierengegangen und haben uns die schönen Menschen angesehen. Ich habe mir zum ersten Mal in meinem Leben keine Kirche in einer fremden Stadt bewusst angeschaut. Oder sonstige Sehenswürdigkeiten. Wir waren zwar auf der Habana Biennale aber an die erinnere ich mich zum Glück kaum noch. Die war nämlich eine Unverschämtheit und eine Beleidigung an alle Kunstinteressierten mit Gehirn. 160 Euro haben wir für die Tickets gezahlt, um dann Selbstgebasteltes vorgesetzt zu bekommen, dass bei uns nicht mal die Aufnahmsprüfung in den Volkshochschulkurs bestehen würde. Natürlich kann man das Kunstverständnis eines völlig anderen Kulturkreises nicht mit dem eigenen gleichsetzen. Aber ich finde doch, dass es universale Regeln gibt, wie zum Beispiel sorgsamer Umgang mit dem Material oder intelligente Konzepte und die haben bei dieser Biennale offensichtlich niemanden interessiert. Ich kann nur spekulieren, ob es damit zu tun hatte, dass nur Parteitreue ausstellen durften. Wahrscheinlich. Ich habe gelesen, dass die international erfolgreichen, richtig guten Künstler in Kuba so anonym wie möglich leben, weil sie sonst ihr ganzes Geld dem Staat geben müssen und für Propagandazwecke benützt werden. Insofern macht es Sinn, dass keiner von denen auf der Biennale zu finden war. Natürlich gab es auch internationale Künstler, sogar Hermann Nitsch und Marina Abramovitch waren dabei. Aber, ich glaube nach 3 Tagen, haben wir aufgegeben und uns nur noch den wahren Schönheiten dieses Landes gewidmet. Dazu zählt untere anderem auch die eklezistische Architektur Havannas. Und hier auch wieder das Gleiche. Ich hab mir ja erwartet, dass es eine schöne Stadt ist. Aber ich hab mir nicht erwartet, dass es SO eine schöne Stadt ist. Man nehme Barockarchitektur, französischen Klassizismus, spanische Kolonialarchitektur, kommunistische, absurde Protzbauten und ein bisschen Miami/Palm Springs-Style aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, schmeisse alles in einen Topf und schütte noch ein bisschen extra Pastellfarbe drüber und würze es mit Meer und Palmen und voila: La Habana! Vieles ist schon zerfallen und schwer renovierungsbedürftig aber so abgewrackter Ruinenschick lässt das gemeine, europäische Herz sowieso immer höher schlagen. Architekturruinen sind die röhrenden Hirsche der 00er Jahre. Dazu kommt noch, dass die meisten Autos in Havanna Oldtimer sind, die in Europa ein Vermögen kosten würden und die man wenn, dann sowieso nur auf Sonderveranstaltungen oder im Museum sieht. Hier sind sie die Standardautos. Nachdem ich jetzt zum ersten Mal in einem Chevrolet dringesessen bin, weine ich diesem Automodell hinterher. Wie unglaublich viel Platz man darin hatte! Das war kein Autofahren, das war wie eine Fahrt auf einem Sofa. Natürlich vom Benzinverbrauch und von der Platzbeanspruchung her eine Katastrophe aber jaja, blablablabla. Statt dass jeder ein hässliches, kleines, viel zu enges Auto hat, wäre ich für Chevrolets, die man sich teilt. Der allerschönste Mann, den ich in Kuba gesehen habe, war übrigens der Taxifahrer eines solchen Modells. Ein riesiger, dunkelblauer Chevy mit absurden Heckspoilern. Und dann sitzt noch ein Mann am Steuer, gegen den Brad Pitt ein Klobesen ist. Nun mal genug für heute. Morgen erzähl ich dann von Aram und Mariannes lustigen Abenteuern. Jetzt muss ich in die Stadt. Ich bin nämlich gerade zum zweiten Mal in Habana angekommen.

Dienstag, 1. Mai 2012

Comfort Zone und Pyramiden

Nach 3 Wochen unterwegs sein hat sich meine Rückkehr nach Mexico City beinahe wie ein nachhause kommen angefühlt. Lou, Max und Gustavo haben sich auf der Kunstmesse mit mir getroffen und sich alle sehr gefreut, dass ich wieder da bin. Das war gut und schön, denn dann habe ich mich wieder wohlgefühlt in der Stadt. Die Kunstmesse war erwartungsgemäß langweilig und voller widerlicher Leute in Maßanzügen und High Heels. Meine gute Laune steigerte sich dann schon beinahe ins Hysterische, als ich Roxana und Zac vom Flughafen abgeholt habe. Mit Roxana habe ich gemeinsam in London im Frühling 2009 studiert und seit dem haben wir uns nicht mehr gesehen außer die eine Woche direkt danach, die sie mich in Wien besucht hat. Zac ist ihr Boyfriend, den ich aber vorher noch nie getroffen habe. Die beiden wohnen in Los Angeles, da will ich zwar immer wieder aufs Neue hinfliegen aber natürlich geht das wegen der Ticketpreise nicht so einfach. Die ersten Tage verbrachten wir kochend, essend, trinkend, tanzend, feiernd auf diversen Parties, Bars und Restaurants, die Heilige Dreifaltigkeit von Nahrung, Rausch und Bewegung bei sozialen Ereignissen noch immer unschlagbar. Rückblickend war das gemeinsame Tanzen für mich das Schönste, denn das vermisse ich in Mexiko wirklich sehr, hier will mich ja jeder nur zum konformen, Schritt vorgebenen Salsatanzen nötigen. Aber Roxana und Zac sind ganz wunderbare, experimentelle Tänzer, die keine Scheu vor Lächerlichkeiten haben und ihre Arme und Beine in alle Richtungen schleudern, als gäbe es keine Klagen wegen Körperverletzung. Noch dazu kommt, dass Roxana auffallend klein und Zac auffallend groß von Statur ist, was der ganzen Show noch einen herzerwärmenden, zirkushaften Touch verleiht. Darum habe ich mich auch redlich bemüht, meine körperlich-langweilige Norm durch besonders exzentrische Bewegungen auszugleichen. Ich glaube, wir waren ein sehr eindrucksvolles Team, auf jedenfall wurden wir auf keine Party erneut eingeladen, geschweige dem hat uns jemand seine Telefonnummer gegeben, bis auf ein sehr dicker Koch, der italienisches Essen für uns kochen wollte aber ich glaube, es ging ihm eigentlich um etwas Romantisches. Am Montag war ich dann ein wenig erschöpft von so viel ungewohnter Geselligkeit und wollte außerdem meine neuerworbenen Rollschuhe ausprobieren und das entpuppte sich als großer Fehler, denn beim Roller Derby Training fiel bei einer Fahrübung eine Anfängerin leider so unglücklich auf mich drauf, dass ich mit dem Kopf voran auf den Betonboden knallte und in Folge eine großflächige Fleischwunde auf der linken Gesichtshälfte hatte. Zum Glück trug ich einen Helm, sonst wäre eine Gehirnerschütterung wohl das Mindeste gewesen aber die Wunde war auch nicht schick, vor allem, da sie am nächsten Tag übel zu schwellen, eitern und krusten begann. So blieb ich 3 Tage allein zuhause, während Roxy und Zac tapfer allein die Stadt und das Land erkundigten, was mir sehr leid tat aber ich konnte mich auch nicht überwinden, das Haus zu verlassen und womöglich als Hexe am Scheiterhaufen verbrannt zu werden. Glücklicherweise hatte Zac Teebaumöl mit, dass sich als wahre Wundertinktur erwies, denn nach 5 Tagen war meine Wunde fast völlig verheilt, mittlerweile ist nur noch ein rötlicher Fleck zu sehen. Als ich dann nur noch nach Ausschlag und nicht nach ansteckender Krankheit aussah, besuche ich mit Roxana und Zac die Ruinen von Teotihucana, der einst größten, mesoamerikanischen Stadt, die circa um 800 herum aus unbekannten Gründen verlassen wurde. Die Stadt hatte ca. 200.000 Einwohner und heute ist noch ungefähr ein Zehntel der einstigen Fläche zu sehen, natürlich restaurierte Ruinen, dennoch ist es unglaublich beeindruckend. Die Pyramide des Mondes und der Sonne sind 46 bzw 65 Meter hoch und säumen die Strasse der Toten, die 2 km lang ist. Die Erbauer arbeiteten mit unglaublichen, optischen Illusionen (die mich stark an die Effekte in barocken Gärten erinnerten), zumindest für mich unglaublich, wie man ohne Rad, Lasttiere oder überhaupt High-Tech so etwas bewerkstelligen kann aber ich würdes vermutlich nicht mal schaffen, eine gerade, stabile Mauer zu bauen. Ich habe mich dann auf die Spitze der Sonnenpyramide gesetzt um eine zeitlang traurig zu sein, dass ich diese Stadt nicht im Originalzustand sehen kann, denn etwas Vergleichbares gibt es wohl auf der ganzen Welt nicht mehr. Allein die Farben und die Wandmalereien. Ich wünschte, man könnte das restaurieren. Wäre ich gelangweilter Milliardär, würde ich mein Geld dafür ausgeben. Am nächsten Tag haben wir auf die Empfehlung einer Freundin hin Puebla besucht, das in einem Tal umgeben von drei Vulkanen liegt, einer davon ist der Popocatepetl, der bald auszubrechen droht. Puebla sieht genau so aus, wie man sich Mexico im Bestfall vorstellt, nur hatte ich vorher keine Ahnung, wie schön es wirklich ist und diese Überraschung war natürlich äußerst befriedigend für touristische Gelüste. Zu meinem Glück gab es auch noch an jeder Straßenecke eine Barockkirche außer Rand und Band, vollgestopft mit vergoldeten Stuck, rußgeschwärzter Ölportraits und peinlicher Restaurationsversuche. Der Höhepunkt war aber eindeutig Tlachihualtepetl, die größte je gebaute Pyramide mit einer Seitenlänge von 400x400 Meter. Da die Pyramide schon dem Verfall preisgegeben und von Gras und Büschen überwachsen war, als die Spanier einfielen, erkannte man sie als solche nicht und baute eine barocke Kirche darauf. Mittlerweile hat ein paar klägliche Teile am Fuße der Pyramide freigelegt und unterirdische Tunnel gefunden. Bei unserer Ankunft war der untere Bereich leider schon geschlossen aber der Weg zur Kirche hinauf war zugänglich und so kamen wir gerade rechtzeitig zu dem atemberaubendsten Sonnenuntergang, den ich je gesehen habe. Die Sonne ging nämlich, umgeben von einer Wolke grellen Pink, direkt zwischen den zwei Vulkanen Popocatepetl und Itzaccihuatl unter und strahlte exakt wie ein Bühnenscheinwerfer auf die gerade ausgestoßene Rauchwolke des Popocatepetl. Ein paar hundert Meter vor uns lies jemand gerade einen Drachen steigen, der die Szenerie beinahe schon unerträglich kitschig machte. Vulkane für sich allein sind an Coolness schon schwer zu übertreffen. Aber Vulkan, Pyramide, Barockkirche UND pinker Sonnenuntergang. Es hätte nur noch ein Strand und eine Palme gefehlt aber das lässt sich vielleicht mal als abscheuliche, großformatige Malerei umsetzen. Mehr und mehr ist ja bekanntlich besonders schön. Den letzten Abend verbrachten wir dann mit Ana und David, 2 Freunden eines Freundes von Thomas, also ein Blind Date in mehrfacher Hinsicht. Wir hatten ein hervorragendes Essen im Cafe la Opera und Margaritas im Wawis, einem queeren Tanzlokal mit Drag- und Strippershow. Ich habe zum ersten Mal Cumbia getanzt und vom anabolikagestärkten Kellner eine Gratislektion darin erhalten, anschließend habe ich allen eine Rose geschenkt, ich glaube, die Männer waren recht irritiert davon, das ist mir immer die größte Freude, wenn es so einfach geht.

Donnerstag, 19. April 2012

Miahuatlan/Puerto Escondido

Die Busfahrt nach Miahuatlan durch das Tal von Oaxaca war wie ein besserer Drogentrip. Ich fasse es noch immer nicht, wie bizarr die Landschaft hier sein kann, wenn sie denn auch möchte. Riesige Palmen formieren sich plötzlich zu völlig lächerlichen Puschelformen, als hätte sie ein hysterischer Barockgärtner zurechtgestutzt, Dornenbüsche ertrinken in Meeren aus weißen und pinken Blüten, dann wieder kilometerlang nur Staub und Sand, man biegt um die Ecke und ist auf einmal in der saftigsten Oase, die Tropen lauern hier überall. Und alles eingezäunt von 4000 Meter hohen Bergen, die so weitläufig und ausgestorben scheinen, dass man unweigerlich das Gefühl bekommt, es gäbe zuviel Platz in Mexiko und irgendwer soll doch bitte mal ein schönes Parkhaus oder ein Shoppingcenter irgendwo hinstellen. Dazu kommt alle gefühlte 30 Minuten ein dramatisches Gewitter, abgewechselt von strahlendem Sonnenschein. Ein paar leichte Erdbeben gab es übrigens auch wieder und gestern erst las ich in der Zeitung, dass der Popocatepetl, der größte Vulkan von Mexiko, kurz vor dem Ausbruch steht. Er raucht schon bedrohlich und in der Nacht sind man die Lava in seinem Schlund rot glühen. Ist ja nur einen Katzensprung weg von Mexiko City, Katastrophentourismus galore! Aber ich komme vom Thema ab, ich wollte von meinem absurden Kurzurlaub im Köln von Mexiko, Miahuatlan erzählen. Köln, weil auch so langweilig und sinnlos, in Miahuatlan gibt es schlicht und einfach gar nichts, außer zwei ganz nette Kirchen, die sich durch besonders scheußliches Interieur auszeichnen. Die alte Wandbemalung scheint beschädigt worden zu sein, darum hat man den erstbesten Malermeister beauftragt, diese neu zu gestalten. Das Ergebnis ist eine Orgie aus falschen Marmor und einem sehr eklektischen aber brutalen Kunstverständnis. Wo noch zu wenig Prunk war, hat man ein paar Kilo Glitter drübergeschüttet und die Gesichtszüge der Heiligen noch greinender gemacht. Blumen helfen auch immer. Ansonsten gibt es Internetcafes und Comidas. Nichts, was den Namen Cafe oder Restaurant oder Bar verdienen würde, angeblich eine Disco aber die habe ich nie gesehen. Bis auf ein paar Englischlehrer war ich auch die einzige Weiße in der ganzen Stadt und darum wurde mein täglicher Spaziergang wohl zum unterhaltungstechnischen Highlight der Stadt. Doch die Hauptattraktion und der Grund, weshalb ich dann wohl doch auch länger blieb, war mein Gastgeber Mauricio. Mauricio ist ein Freund von Martina und Irene, mit denen ich auf der Akademie studiert habe, sie haben sich während ihres Auslandssemester in Sydney kennengelernt. Mauricio ist Bauingenieur, kommt eigentlich aus Mexico City, lebt aber gerade in Miahuatlan im "besten" Hotel der Stadt, weil seine Firma in der Gegend ein Hochsicherheitsgefängnis baut. Da ich ohnehin in Oaxaca war und wir im Vorfeld ein wenig über Facebook geplaudert hatte und er mir recht vernünftig erschien, dachte ich mir, ich nehme seine Einladung an und besuche ihn. Jedoch war mir etwas Angst und Bange, denn ein wenig fremdel ich ja doch mit neuen Leuten und sich dann gleich ein Hotelzimmer teilen, das war sogar für mich recht wild. Dazu kommt noch, dass Mauricios Hobbys "Surfen und Golf spielen" sind und mit so einem Menschenschlag hatte ich bisher ja wirklich gar nichts zu tun. Doch alle Zweifel und Bedenken waren grundlos, wir haben uns von Anhieb bestens verstanden und pausenlos geistreiche Diskussionen über Astrophysik, das Leben allgemein, Verbrechen der mexikanischen Gegenwartsarchitektur und erinnerungswürdige Sauferlebnisse geführt. Leider musste er von früh bis spät arbeiten und so blieben immer nur ein paar Stunden am Abend für den intellektuellen Austausch und Bier. Einmal gingen wir auf eine Geburtstagsparty von Arbeitskollegen, die fand zu meiner Freude im hässlichsten Haus von ganz Miahuatlan statt, der Eigentümer hatte es selber designed, den Stil kann man wohl "Drogenboss aus Miami heiratet römische Ex-Berlusconi-Gespielin mit FengShuiDiplom" nennen. Ich habe nur ein paar sehr schlechte Fotos mit der Handykamera davon gemacht aber jeder, der die gleiche Vorliebe für Scheußlichkeiten hat, wird sich sehr freuen, sie zu sehen. Eine wahre Orgie der Schönheit! Die Kollegen konnten leider kein Englisch und wollten unbedingt, dass ich Salsa tanze, was ich wiederum nicht konnte. Darum habe ich die DJ-Macht in Form von Youtube-Videos an mich gerissen und einen Dancebattle zu Radio-NRJ-Musik gestartet. Spätestens bei "Sexy and you know it" war klar, dass es nur eine Gewinnerin geben konnte, nämlich mich. Schön, wenn sich die jahrelange Feierpraxis mal in Form von geglückten, interkulturellen Austausch endlich bezahlt macht. Mauricio war so tief beeindruckt von meinen geheimen Skills, dass er die ganze Nacht mit mir kuscheln wollte. Am nächsten Morgen hatte er dann leider schlechte Laune, dafür durfte ich mir die Baustelle des Hochsicherheitsgefängnisses ansehen, wirklich eines der Highlights meiner Tour. Die Baustelle war riesengroß, das Gefängnis wird für über 3000 Leute gebaut und als ich dort war, zog gerade ein Gewitter auf, das hat es noch unheimlicher gemacht. Die Baustelle wurde von Polizisten mit Maschinengewehren bewacht, ich glaube, das gehört zur Standardausrüstung hier. Ich habe mich mit meinem bauchfreien Top und meiner Leopardenhose dann etwas overdressed gefühlt, andererseits war mir der Platz im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit sicher (und da bin ich doch so gerne).
Am nächsten Tag fuhren wir dann endlich (4 Tage Miahuatlan reichen wirklich) nach Puerto Escondido, einem Hippiesurferküstendorf am Pazifik. Auch diese Fahrt war fantastisch, weil sie durch das Gebirge zuerst hoch hinauf geht und man sich auf einmal wieder in einer geradezu alpinen Landschaft voller nebelverhangener Fichtenwälder befindet. Die Strasse besteht quasi ausschließlich aus Serpentinen und da Mauricio gerne sehr, sehr schnell fährt, war es wie 3 Stunden lang Achterbahn fahren. Andere hätten gekotzt, ich habe mich gefreut, ich mag Zentrifugalkraft ja sehr gerne. Je weiter man dann wieder nach unten kam, desto tropischer wurde der Wald und plötzlich lag atemberaubend groß und blitzblau der Pazifik vor einem, gesäumt von der ersten, neckisch winkenden Kokospalmen. In Puerto Escondido angekommen, haben wir gleich ein wunderbares Hostel gefunden, ich bin normalerweise der Hostelfeind Nummer 1 aber das war tatsächlich eine Art Hippiedorf, mit dem man was zu tun haben möchte. Die folgenden 3 Tage verschwimmen in der Erinnerung in einer einzigen Masse aus am Strand liegen, im badewannenwarmen Wasser baden, Tequila trinken (ich habe übrigens endlich den Unterschied zwischen Tequila und Mezcal verstanden: die Agavenart!), Surfern zuschauen, Diskurse über Ästhetik, ekelhaft kitschige Sonnenuntergänge, Salsa tanzen (versuchen) und was man halt sonst so an paradiesischen Stränden machen kann. Ich habe mich so verliebt in den Ort, dass ich plane, den gesamten Juni dort zu verbringen und surfen zu lernen. Wenn sich bis dahin nicht schon wieder alles ändert.

Montag, 9. April 2012

Oaxaca

Faehrt man mit dem Bus von Mexico City nach Oaxaca, kommt man an den beiden Zwillingsvulkanen Popocatepetl und Iztaccihuatl vorbei. Ersterer ist mit 5.462 Metern zweithoechster Berg Mexikos und zweithoechster Vulkan Nordamerikas. Ich glaube, ich habe noch nie einen hoeheren Berg in Natura gesehen und da ich auch gar nicht wusste, was auf mich zukommt, war ich zutiefst beeindruckt. Der Popocatepetl ist noch aktiv und raucht, fast so wie man das aus Cartoons kennt, mit kleiner, weisser Wolke an der Spitze, der Iztaccihuatl ist inaktiv und man kann ihn auch besteigen, leider nur mit Klettererfahrung, sonst waere ich schon laengst oben. Dafuer bin ich mit dem Bus auf den hoechsten Berg der Sierra Norte gefahren, ein Gebirge in Oaxcaca, mit nebelverhangenen Nadelwaeldern, bayerisch aussehende Kuehen und windschiefen Holzhuetten, man waehnt sich beinahe in den Alpen, waeren die Gebirgsketten nicht so seltsam in die Laenge gezogen und wuerden nicht ueberall riesige Agaven und hin und wieder palmenartige Gebilde wachsen. Max, der Berliner Maler, den ich hier in Oaxaca besuche, hat mich auch in die Berge begleitet und wir haben uns einen Ausritt durch die Waelder gebucht, in der romantischen Vorstellung, wir wuerden auf zwei prachtvollen Rappen gen Sonnenuntergang galoppieren aber naturerlich handelte es sich bei den gemieteten Pferden um zwei Ponys mit Haltungsschaeden und Kindersaetteln, an der Leine gefuehrt von zwei maessig an uns interessierten, einheimischen Guides. Von den nicht geringen Schmerzen, die wir aufgrund der zu langen Steigbuegeln recht bald hatten, abgesehen, fing es auch noch zu regnen an und in den Bergen hier ist es echt kalt, auch wenn man sich eigentlich in den Tropen befindet. So war ich, vermutlich auch noch verstaerkt durch die Magenprobleme aufgrund des Essens am Vortag, zum ersten Mal wirklich krank und lag gestern den ganzen Tag auf meiner gemuetlichen Decke am Kachelboden im Fieberwahn. Abgesehen davon ist die Stadt Oaxaca (ausgeprochen Wachaka) wunderschoen, die Innenstadt besteht aus lauter bunt bemalten, einstoeckigen Kolonialbauten und das Wetter ist genau so, wie man sich Mexiko vorstellt: heiss und schwuel. Ueberall stehen Palmen, wuchern bluehende Buesche ueber zerfallene Mauern, Agavenblueten ragen meterhoch empor, bunte Papageien sitzen auf Tuerbrettern, egal, wo man hingeht, meistens kriegt man als erstes ein Glas Mezcal angeboten, der hier in der Gegend angebaut wird und unglaublich lecker schmeckt, von rauchig bis mild ist alles dabei. Die Spezialitaet der Stadt sind die sieben Moles, also Sossen, die mit Fleisch serviert werden, meine Lieblingsmole ist die Mole Negra, die unter anderem aus Gewuerzen, Schokolade und Chilis besteht. In der Stadt gibt es auch eine der schoensten Kirchen, die ich je gesehen habe, eine Barockkirche, deren gesamter Innenraum mit aufwendigen Stuckdekor verziert ist, der Name faellt mir leider gerade nicht ein, dabei wuerde ich sie sehr gerne mit einer meiner Lieblingskirchen in Rom vergleichen, deren Name mir auch nicht mehr einfaellt, dazu koennte ich hoechstens Fabian befragen, dem der Name aber garantiert auch nicht mehr einfallen wird. Wie auch immer, Oacxaca muss man gesehen haben, wenn man nach Mexiko kommt auch wenn die Osterfeierlichkeiten leider weit hinter meinen Erwartungen geblieben sind, niemand hat sich ausgepeitscht, es gab nur halbnackte Máenner mit lila Kapuzen, die grosse, nach Plastik aussehende Holzkreuze in einer stillen Prozession von Kirche zu Kirche geschleppt haben, mit spitzen Kapuzen verkleidete Katholiken, die mit Blumen und leidenden Heiligen geschmueckte Altaere trugen und Kinder in schlecht gemachten, bunten Apostelkostuemen und unzaehlige Bannertraeger mit Heiligenbildern darauf. Die Leute sind entspannter und offener als in Mexico City und generell ist es viel ungefaehrlicher, man kann sogar mit Taxis von der Strasse mitfahren! Ansonsten habe ich noch einen lustigen, alten Apachenfreund von Max kennengelernt, der staendig mit mir geschimpft hat, dass ich kein Spanisch kann. Die restlichen Bekanntschaften hier waren leider genau so von Komplexen zerfressene Machos wie in Mexico City. Habe ich schon erwaehnt, dass es in den Apotheken hier Unmengen an Potenzmitteln zu kaufen gibt? Da muss es einen kausalen Zusammenhang geben. Zumindest kann man sich hier aus sicherer Distanz an prachtvoll geschmueckten Maennerchoeren und Blaskapellen erfreuen, die folkloristische Weisen spielen. Ich habe mir sogar zum ersten Mal seit Ewigkeiten wieder eine CD (analog!!) gekauft, weil ich so begeistert und geruehrt war. So habe ich mir das vorgestellt! Und morgen besuche ich einen Freund von Freunden, Maumau genannt, der in einem Hotel in den Bergen wohnt und dort ein Gefaengnis baut. Ein Abenteuer jagt das naechste!

Sonntag, 1. April 2012

Schlechte Laune

Seit Acapulco hatte ich die Krise. Die Stadt ging mir unvorstellbar auf die Nerven und vor allem die ganzen widerlichen Dreckstypen darin. Ich hab es vermutlich schon erwähnt, dass man nicht vor die Tür gehen kann, ohne angehupt, angepfiffen oder sonst wie belästigt zu werden. Noch dazu gelte ich hier als blond und kriege von jedem, mit dem ich länger als drei Sätze rede, den Namen "Blondie" verpasst. Und wie man sich vorstellen kann, finde ich das als Frau mit Gehirn nicht so super. Ich frag mich, was für eine dämliche Bratze man sein muss, um diese Art von sexistischen Respektlosigkeiten gut zu finden. Gibt aber scheinbar Einige. Ich freue mich jedenfalls schon auf ein Land, in dem die Männer angemessene Minderwertigkeitskomplexe haben. Hier trauen sich selbst die mexikanischen Frauen nicht alleine im Dunklen vor die Tür. Ich glaube leben könnte ich hier nicht. Es würde mich einfach zu wütend machen. Also kanalisiere ich den Hass in körperliche Betätigung. Ich habe zu joggen begonnen und meine erste Lucha Libre Stunde genommen. Minah, eine Bekannte von Nina aus Wien, hat mich in den Norden der Stadt in eine Art halb aufgelassenes Kaufhaus mitgenommen. Im oberen Stockwerk war alles leer bis auf einen Boxring, der in einer Ecke stand. Es gab keine Sanitärsanlagen, keine Garderoben, nicht einmal Licht, nur dieses Boxring. Darauf lag ein muskulöser Mann Mitte 50 und schlief. Es war Negro Navarro, Wrestling-Star und mein zukünftiger Boxlehrer. Zuerst hat er mich sehr kritisch angeschaut, ich glaube, er hat mir das Training nicht zugetraut. Aber schon beim Aufwärmen hab ich ihm vom Gegenteil überzeugt, nachdem ich alle Sit- und Push-ups verbissener gemacht habe als der Rest. Ich habe die selben Übungen gemacht wie die anderen Schüler, hauptsächlich so Ringergriffe am Boden, mit Armen und Beinen, die in den meisten Fällen damit enden, dass einer den Kopf zwischen die Beine des anderen stecken muss. Wrestling ist ein bißchen wie Yoga, nur dass man zu zweit ist und schreit. Ich hab gleich gewusst, dass ich eine natürliche Begabung dafür haben werde und so war es dann auch. Der Lehrer war äußerst zufrieden und hat gesagt, ich lerne sehr schnell. Angst hatte ich nur vor der ersten Rolle, weil man die so beschwingt aus dem Stand am Boden macht und dann wieder aufspringt, das sah sehr nach Genickbruch aus. Das Schmerzniveau war minimal aber wenn man vom Thaiboxen Fusstritte ins Gesicht gewöhnt ist, dann kommt einem fast alles vor wie ein Kindergeburtstag. Aber vielleicht waren die anderen auch nur besonders zärtlich mit mir. Mit dem Sport und den unglaublichen Muskelkater danach legte sich auch langsam mein Groll. Am nächsten Tag wollte ich die Soliparty des örtlichen Roller Derby Teams besuchen, diese war allerdings in irgendeinem Vorort von Mexico City, in den zwar ein Zug fuhr, dessen Fahrplan ich aber dank mangelender Spanischkenntnisse nicht herausfinden konnte. Meinen Spanischkurs habe ich übrigens geschmissen, weil der Kurs voller Idioten und Rassisten war und da ist mir meine Zeit dann doch mehr wert als mein Geld. Auf jeden Fall habe ich das Problem gelöst, in dem ich ins Roller Derby Forum geposted habe, ob mich jemand mitnehmen kann und prompt hat sich ein junger Mann genommen, der mit dem Motorrad hinfährt und noch einen Platz freihat. Das war mir etwas suspekt und ich musste gleich an den Motorradfahrertisch im Rehabilitationszentrum denken, an dem nur amputierte, junge Männer saßen, aber dem Abenteuer einer Motorradfahrt durch den weltschrecklichsten Verkehr konnte ich auch nicht widerstehen. Es war auch wirklich grauenhaft, da gerade Rush Hour war und ich habe mit diesesm Ausflug sicher einige Grundsteine für zukünftige Lungenerkrankungen gelegt aber dafür konnte ich dann auch zu einer mexikanischen Black Metal Band tanzen und Agua Loca mit Horchata trinken. Die Roller Derby Teams von Mexiko sehen alle recht jung und rührend nostalgisch aus mit ihren Piercings, ihren bunten Haaren und den Netzstrumpfhosen. Leider fast alle etwas schüchtern aufgrund mangelender Englischkenntnisse. Der Motorradfahrer, der selber in der Männermannschaft spielt, hat am Rückweg natürlich versucht mich anzubraten, worauf ich begonnen habe, ihn zu ignorieren. Unhöflich, ja, aber diesen ewigen "you are so beautiful"-Scheiss von jedem, der 3 Sätze mit dir spricht, finde ich nicht minder unhöflich. Am Montag fahre ich dann mit Max nach Oxaca, seit heute ist ja Semana Sanata in Mexico, das wichtigste, religiöse Fest hier. Jetzt drehen alle Katholiken durch.

Donnerstag, 22. März 2012

Acapulco calling

Acapulco war eins mondäner Urlaubsort der Hollywoodstars und der mexikanischer Schickeria. Das ist leider vorbei. Die Stadt besteht hauptsächlich aus ranzigen, weiß-gelben Hotelbauten, stinkenden Autos und Oxxo-Filialen. Der beinahe schon goldfarbene Strand war zweifelsohne einmal wunderschön, das lässt sich jedoch unter all den Plastikzelten und Liegestühlen nur noch schwer ausmachen, dazwischen die üblichen, schreienden Souvenir- und Darmgrippensnacks-Verkäufer. Natürlich gefällt mir das auf eine postmoderne, ironische Art und Weise, ich bin ja auch nur ein Kind meiner Zeit und so habe ich mich in dem scheußlichsten Hotelmonster des ganzen Strandes einquartiert und gluckste vor Freude, als man mir horrende Summen für ein qualitativ minderwertiges Abendessen im Restaurant La Perla abgenommen hat. Das besondere an La Perla ist, dass man auf einer Terrasse mit Ausblick auf die Show der berühmten Klippenspringer von Acapulco sitzt. Dabei handelt es sich um zehn junge Männer mit teilweise knackiger und teilweise mexikanisch-oppulenter Figur, die in knappen Badehosen bekleidet von einer 30 Meter hohen Klippe in die tosende Brandung springen. Gerne auch bei Nacht, den letzten Sprung absolvieren sie angeblich mit Fackeln in der Hand doch für solche Albernheiten war ich dann doch zu müde nach einer langweiligen Busfahrt in der ersten Klasse, berieselt von schlechten Blockbustern mit spanischer Synchronisation. Der Vorteil solcher Zwangsbeglückung ist jedoch, dass man hervorragend Spanisch dabei lernen kann, da man die Handlung so oder so versteht und das Synchronisierte normalerweise sehr sauber gesprochen ist. Danach war ich tatsächlich in der Lage meine ersten beiden Unterhaltungen auf Spanisch zu führen, holprig aber doch. In der ersten, mit dem Taxifahrer, ging es darum, warum ich keinen Freund habe. Und in der zweiten, mit dem Sicherheitsmann des Hotels ging es um die Schwierigkeiten eine neue Sprache zu erlernen und dass ich gerne alleine bin. Auf dem Weg nach Acapulco lag übrigens ein ganzes Spanferkel auf der Autobahn im Dreck. Seine Geschichte hätte ich hier auch gerne erzählt. Beeindruckend waren auch die mit Tribals in schillernden Metallfarben geschmückten Discobusse, leider war ich ein wenig zu schüchtern um damit zu fahren. Aber an die großen Abenteuer des Lebens habe ich mich schon immer gerne vorsichtig herangetastet. Am zweiten Tag bin ich dann ins Hotel Gilda, eine halbe Stunde Taxifahrt außerhalb der Stadt, an einer herrlichen Lagune, in der Rambo und Tarzan gedreht wurde, gelegen. Ein "Romantikhotel", was auch immer diese Bezeichnung kaschieren soll, jedenfalls habe ich mich zwischen lauter langweiligen Pärchen sehr wohl gefühlt und hatte vor allem eine große Auswahl an richtigen, mit Matratze und Leintuch und Kissen ausgestatteten Betten, die direkt am Strand mit Blick aufs Meer standen. Einen idealeren Arbeitsplatz kann ich mir nicht vorstellen und so habe ich einen Tag lang Konzepte entworfen und geschrieben und bin sehr zufrieden mit den Resultaten. Mein ideales Atelier ist also ein Bett am Meer, darauf hätte ich schon früher kommen können. Dann einen beleidigend schönen Sonnenuntergang bis zum Ende angesehen, obwohl ich schon schrecklichen Hunger hatte und mir die ganze Zeit dachte, wieso ich Idiot mich eigentlich dazu zwinge, ich weiss ja doch, wie es ausgeht und der letzte Sonnenuntergang war es vermutlich auch nicht. Noch ein paar tiefgreifende Gedanken über Astronomie, meine heimliche Liebe, gehabt. Des weiteren sinnierte ich die Tage noch intensiv über die Möglichkeit im Urlaub seine eigene Ethnie, sein Weiß-sein zu erleben. Zuhause ist man ja doch nur die Norm .Ein Mensch sozsuagen. Weiß wird man erst, wenn es die anderen nicht mehr sind. Ekelhaft finde ich Urlauber, die das negieren und wie die Einheimischen sein wollen. Ja keine Touristen sein. Ja nicht die eigenen, unverdienten Privilegien eingestehen. Da sitze ich lieber in meinem cremefarbenen Betonmonster und reite auf einer aufblasbaren Banane dem Sonnenuntergang entgegen und labe mich an den exotischen Hirngespinsten meiner Kultur. Und so ging das in meinem Kopf den ganzen Tag und die ganze Nacht. Tag 3 wurde ich von der Hotelbesitzerin, einer ausgewanderten Wienerin, auf einen Bootsausflug in die Rambolagune mitgenommen. Nie in meinem Leben habe ich wärmeres Wasser in freier Natur gesehen, wie wenn man sagt, ich lasse mir jetzt eine warme Badewanne ein, warm, nicht heiss. Gesäumt von Kokospalmen, Mangroven, Seerosen und in den Seerosen weidende Kühe. An der Stelle war das Stück Strand, das Lagune vom offenen Meer getrennt hat so schmal, dass man die schäumende Gischt von den Wellen auf der anderen Seite sehen konnte. Anschließend wurde ich in ein weiteres, mexikanisches Gourmetgeheimnis eingeweiht, frische Kokosnuss mit Chilisauce! Chilisauce kann man übrigens auf alle Obst- und Gemüsesorten geben, es gibt nichts, was damit nicht noch besser würde. Zahlreiche Tequila und ein Tarotkartenset, dass mir keine Liebe aber großen Reichtum prophezeite, rundeten den Abend ab, am nächsten Morgen musste ich aufgrund katerbedingter Übellaunigkeit die Stadt auf der Stelle verlassen. 3 Tage an einem Ort reichen auch völlig, wie ich meine.

Freitag, 16. März 2012

Nicht viel passiert aber bald!

Kati, meine Schwester und Markus, ihr Freund sind seit zwei Tagen auf Besuch. Ich schlafe nun auf einem Gästebett im Wohnzimmer, welches ich erschreckend bequem finde. Es ist eine hauchdünne Schaumstoffmatte, die auf einer Metallpritsche liegt und man versinkt in einer runden Kuhle, wenn man sich darauf legt. Wir waren mit den Max, Lou, Gustavo, Andreina und Co am Mittwoch auf einem Sister of Mercy Konzert. Nicht, dass ich mir so wahnsinnig viel erwartet hätte aber es war dann so langweilig, dass ich die meiste Zeit mit einem Cocktail in der Vorhalle gesessen bin und die Türsteher beobachtet habe. Den das spannendste am Konzert war, dass ich zum ersten Mal in Mexiko City Männer mit einer Körpergröße über 165cm gesehen habe. Warum die ausgerechnet alle zu einem drittklassigen Gruftiekonzert zusammenkommen, ist mir noch immer ein Rätsel, dass es zu erforschen gilt. Aber vielleicht weiß ich nach dem Wochenende mehr, denn heute Abend werde ich zum ersten Mal ausgehen. Zuerst wollen wir in eine Discothek namens "Patrick Miller", da soll es hauptsächlich Italo Disco und High Energy spielen und Buschauffeure und Sekretärinnen tanzen dazu. Dann hat Andreina etwas von einem Mariachi-Transvestiten-Club erzählt, das klingt so wunderschön, dass ich es mir gar nicht vorstellen mag. Ob es wohl mit dem Lucha Libre Exotica mithalten kann? Aufgrund dessen bin ich jetzt schon ganz aufgeregt und mit jeder Minute wird klarer, dass ich nichts zum anziehen habe und vor allem schon gar keine geeigneten Schuhe (war ja alles im Koffer). Visa entschädigt mich im übrigen für die verlorene Tasche, das heißt, ich werde mit einer oppulenten Auswahl an maßgeschneiderten Schuhe zurückkehren. In dem Schuhgeschäft kann man zwischen rosa Leder und rosa Glitzerleder wählen, übrigens. Apropos Rückkehr: ich komme erst Anfang September wieder nach Wien. Mein ursprünglicher Plan, Mitte Juli für 4 Wochen nach Wien zu fliegen, ist nämlich völlig unwirtschaftlich, wenn ich danach zurück nach Kalifornien will. Falls mich jemand streckenweise begleiten möchte, mein Reiseplan ab 30.Juni: mind. 14 Tage New York, dann über Miami, New Orleans, Texas nach Los Angeles. Dann bleibe ich in Kalifornien, bis wir am 25.8. von San Francisco zum Burning Man nach Nevada fahren. Am 6. September, pünktlich zum 89. Geburtstag von der Oma bin ich zurück.

Sonntag, 11. März 2012

Beso!

20 Millionen Menschen leben in der Metropolregion Mexico City. Natürlich ist eine der ersten Personen, die ich hier kennenlerne, eine Wienerin, mit der ich gemeinsame Bekannte habe. Nina ist vor über zehn Jahren ausgewandert und lebt mittlerweile in Mexico City, ist Mitglied bei der VBKÖ (Vereinigung bildener Künstlerinnen Österreichs) und eine Bekannte von Veronika. Veronika hat ihr sogar erzählt, dass ich nach Mexiko komme und wir uns doch treffen sollen. Gut, Künstlerinnennetzwerke sind klein aber dennoch, wie groß ist die Chance in so einer riesigen Stadt? Getroffen habe ich sie, weil Max und Lou mich auf einen Lucha Libre (mexikanisches Wrestling) Kampf mitgenommen haben, dessen Besuch von Nina organisiert hat. Sie schreibt nämlich gerade eine Doktorarbeit zum Thema Lucha Libre am Goldsmith College. Meine erste Show hab ich schon am Dienstag gesehen. Ich erinnere mich, irgendwann mal einen Artikel gelesen zu haben, in dem der Autor der Meinung war, Wrestling sei die erhabenste Form von Theater, die es heutzutage noch gibt. Bisher konnte ich das nie nachvollziehen aber es ist wie bei fast allen richtig guten Dingen: man muss es selber und live erleben. Allein das wohlige Schauern beim Betreten der Arena voller kreischender Fans und schreiender Tortillaverkäufer! Die Kämpfe sind choreographiert und die Sportler in Wahrheit darauf bedacht, einander nicht weh zu tun, dennoch sind die akrobatischen Leistungen beeindruckend, vor allem bei der Körperfülle mancher. Sie stellen sich auf die Ringseile, machen einen Rückwärtssalto und knallen mit voller Wucht und im ganzen Saal gut hörbar, trotz der lauten, billigen Tanzmusik, auf den Boden auf und tun sich scheinbar nicht weh dabei - wie das funktioniert, ist mir nach wie vor ein völliges Rätsel. Und als wäre das noch nicht Unterhaltung genug, tragen alle Wrestler die absurdesten Fantastykostüme. Jeder hat seinen eigenen Charakter entwickelt, die Bandbreite reicht von Black Metal über Herr der Ringe bis Superheld, hauptsache, es ist eng, schrill und gefährlich. Die kommerziellen Kämpfe folgen den üblichen, altbackenen Geschlechterrollen, nicht so hingegen Lucha Libre Exotica: In dieser speziellen Form des Luchas treten Drag Queens gegeneinander an. Und das ist wirklich die großartigste Show, die man sich überhaupt vorstellen kann. Die Kostüme könnten aus Filmen wie Priscilla oder Hedwig and the Angry Inch sein. Eine einzige Pailetten-, Federn- und Extensionsorgie. Die aufwendigeren Teile werden jedoch für den Kampf abgelegt, da die Damen sich ernsthaft sportlich betätigen. Vielleicht mit einem Hauch weniger Akrobatik als die Herren am Dienstag, dafür mit mehr Spass und Facesitting. Nun bin ich ob all des Glamours topmotiviert, auch diese edle Sportart zu erlernen und plane den Besuch einer Lucha Libre Schule. Die dafür benötigten Talente (Stil, Brutalität, Aufmerksamkeitsdefizit) besitze ich ja schon reichlich. Einen Lucha Libre Exotica Kampf kann man übrigens auch gewinnen, in dem man den Gegner küsst. Darum schreien die Besucher immer BESO!

Donnerstag, 8. März 2012

Mexico DF

Nun bin ich schon ganze 4 Tage in Mexiko City, bin alleine Ubahn und Bus gefahren, durch die nächtlichen Straßen gelaufen und wurde noch immer nicht entführt. Gar so arg ist es also doch nicht. Auch wenn die zahlreichen Horrorgeschichten, in erster Linie von Leuten, die noch nie hier waren, meine abendliche Ruhe in meiner einsamen Wohnung empfindlich stören. Ich wohne hier ja in der ehemaligen Residenz der Geliebten des Botschafters, ein schickes aber altmodisches Appartement im Hinterhof der Botschaft, nur durch zwei verschnörkelte Eisenzäune von den Kriminellen da draußen getrennt. Die Wand, die zum Innenhof führt, ist eine komplette Glasfront. Ich habe ein sehr geräumiges Wohnzimmer mit Sitzgarnitur, Esstisch und schlecht ausgestatteter Küche, ein Schlafzimmer mit zwei Einzelbetten und ein Bad mit Dusche. Der Innenhof bzw. die Terrasse ist auch nur von mir zu betreten, bietet also Privatsphäre, ist jedoch von hohen, mit Efeu bewachsenen Mauern umgeben. Man wollte die Geliebte eindeutig vor der Öffentlichkeit verstecken. Über dem Tor, das zu meiner Wohnung führt, ist ein Leuchtschild mit dem Schriftzug "Cinema" angebracht. Warum, kann ich mir nicht erklären und werde, wenn ich es nicht vergesse, den Konsul danach fragen. Der Konsul ist ist äußerst freundlich und hilfsbereit, ebenso wie die restlichen Botschaftsangestellten, mit denen ich jedoch nur Kontakt habe, wenn ich es darauf anlege. Eher spreche ich noch mit dem Sicherheitsmann und meiner Putzfrau, die beide jedoch nur Spanisch können und kein Englisch. Mit Englisch kommt man hier sowieso nicht weit, eher mit Pantomime und ähnlichen Activitiy-Fähgkeiten. Mein Spanischkurs beginnt nächste Woche, ich kann zwar schon ein paar Brocken aber aus einem Repertoire bestehend aus der Frage nach dem nächsten Bus und wieviel Pesos die Flasche Wasser kostet lässt sich nur unter größter Mühe eine charmante Unterhaltung basteln. Aber ich bin höchstmotiviert zu Lernen. Lateinamerika scheint ein Reich der Freude zu sein. Abgesehen von der herrlichen Natur, die hier aus jeder noch so reudigen Strassenecke kriecht, sind die Menschen hier so freundlich und hilfsbereit, dass man sich seines eigenen Landes in Grund und Boden schämt. Würde ein Mexikaner mit meinem Spanisch gleichwertigen Deutsch in Wien nach dem nächsten Bus ins Zentrum fragen, man hätte in vermutlich gleich in Schubhaft gesteckt. Hier hingegen werde ich zum richtigen Bus gebracht und der Busfahrer gibt sich die ganze Fahrt durchgehend größte Mühe mich mit aufwendigen Gestiken und Mimiken über den aktuellen Standort zu informieren. Weil sich jedoch unfreundlich gerne mit schlecht gelaunt gesellt, habe ich hier schon deutsche Freunde gefunden. Max und Lou sind Freunde von Raphaela aus Berlin, Lou ist mit dem Frida Kahlo Stipendium in Mexico City, Max, ihr Boyfriend, begleitet sie. Beide sind MalerInnen und ich glaube, dass wir sehr viel Spass miteinander haben werden. Durch sie habe ich auch Gustavo kennengelernt, mein erster, mexikanischer Freund! Er ist auch Künstler, zeichnet und malt und interessiert sich vor allem für Deathrock und schlechte Laune. Wir haben uns auf Anhieb sehr gut verstanden und nächste Woche begleite ich ihn auf ein Sisters of Mercy Konzert. Mexikanische Grufties sind sicher sehr lustig und fotogen. Gustavo hat uns die letzten Abende lang zu den besten Tacobuden und Mezcalbars der Stadt geführt. Das Essen in Mexico, ich wurde ja von mehreren Seiten vorgewarnt, aber nichts hat mich tatsächlich auf diese unglaublichen Genüsse vorbereiten können. Es ist so gut, dass ich jedesmal weinen möchte, wenn ich meinen Al Pastor Taco mit einem Schluck Horchata runterspüle. Ich muss mich die Tage unbedingt in einem Fitnesscenter anmelden, um nicht 500 Kilo zu wiegen, wenn ich zurückkomme. Die Mangos, die Avocados, die Ananas, Schokolade, Kaffee, alles wächst hier im Land und ist dementsprechend frisch. Die Soßen!!! Ich weiß nicht, warum sie so göttliche Soßen machen. Es gibt Tacos mit gebratenen Bärentatzenkakteen drinnen. Die kann man sogar bei meinem Supermarkt ums Eck kaufen, ich überlege schon Rezepte zur österreichisch-mexikanischen Fusionküche. Bärentatzenkakteen-Grammelknöderl oder dergleichen. Ein wenig österreichisch erscheint mir auch die Gegend, in der ich wohne: Las Lomas, das Grinzing von Mexico City. Gestern habe ich einen kleinen Nachbarschaftsspaziergang gemacht und außer Sicherheitsmännern und Putzfrauen keinen einzigen Menschen auf der Strasse gesehen, von den vorbeifahrenden Luxuskarossen einmal abgesehen. Das, was man von den mondänen Villen erspähen kann, sieht beeindruckend aus und ist für den architektonich ungeschulten Blick kaum von Bel Air oder Beverly Hills zu unterscheiden. Nur die Mauern und elektrischen Zäune sind eine Spur höher und abweisender. Die Strassen sind alle von Palmen, akkurat geschnittenen Büschen, Blumen und englischem Rasen gesäumt, nur für wen, ist die Frage. Nicht mal auf den zahlreichen Terrassen und Balkonen sieht man eine Menschenseele. Vielleicht wohnen hier auch einfach nur Vampire, die tagsüber von ihren Angestellten bewacht werden. Mit dem Bus bin ich jedoch, wenn wenig Verkehr ist, in 30 Minuten im Zentrum. Busfahrten in Mexico City sind ebenfalls sehr abenteuerlich, da es keine Fahrpläne gibt und auf dem Bus nur eine ungefähre Richtung angegeben ist. Aber so lernt man wenigstens immer etwas Neues von der Stadt kennen.

Samstag, 3. März 2012

Bocas del Toro/Isla Colón

Nun hab ich es endlich in die Karibik geschafft. Im Panama-Führer habe ich gerade gelesen, dass die Insel früher von amerikanischen Bananenplantagenbesitzer bewohnt worden ist, daher die prachtvollen, buntbemalten Holzhäuser und darum sprechen so viele Einheimische auch Englisch. Und davor gab es hier mal ein Piratennest. Die Häuser sehen aufgrund der Zuckerlfarben alle aus, als würden sie von Kinderfängern bewohnt sein. Manche sind stark verfallen, andere liebevoll renoviert. Aus jeder noch so verlausten Ecke wachsen riesige Büsche mit tropischen Blumen, die bei uns für nicht unter 7 Euro das Stück zu kaufen sind. Kokospalmen wechseln sich mit Bananenpalmen und Palmen, deren Namen ich nicht kenne, (eigentlich kenne ich nur Kokos- und Bananenpalmen) ab. Am Donnerstag war Raphaela leider etwas krank und so habe ich mich alleine in eine Sushi- und Martinibar gesetzt und Leute beobachtet. Das Publikum hier besteht hauptsächlich aus deutschen Seniorentouristen, mit denen ich mich sehr verbunden fühle, viel mehr als mit den Unmengen an strunzdummen Surfern, von denen die meisten aussehen wie Inzestunfälle der schlechteren Sorte. Dazwischen Hippies, die ihre selbstgebastelten Scheußlichkeiten zu überteuerten Preisen an andere Touristen verkaufen wollen. Generell kann man sagen, dass Panama kein Land der Mode ist. Das einzig gute an meinem verlorenen Koffer ist, dass jetzt zumindest ein paar Panamesen stilvoll gekleidet sein werden. Als ich gerade dabei war, mich durch die spottbillige Martinikarte zu kosten, fingen zwei Barmusiker an, karibische Weisen auf ihren Akkustikgitarren zu spielen. Mit einem von ihnen habe ich mich gleich angefreundet, was mir eine nette Unterhaltung und ein durchs Mikrophon angekündigtes, extra für mich gespieltes Lied eingebracht hat: Every Breath you Take, von Sting. Da hat es mich dann doch ein wenig gegruselt. Ungefähr so, wie als der Polizist, bei dem ich die Diebstahlanzeige aufgegeben hat, per Googel Translate versucht hat, mit mir zu flirten. Tagsüber ist es bedrückend schwül und man kann eigentlich nichts anderes machen, außer am Strand zu liegen. Die Strände hier sind absurd kitschig. Würde man mir ein Foto davon zeigen, würde ich glauben, es wäre mit Photoshop gemacht. Goldener Sand, sich malerisch über das türkise Wasser biegende Palmen, blauer Himmel, auf dem Festland tropischer Regenwald. Ich bin gestern mit dem Fahrrad von der Stadt zum Strand gefahren, 16 Kilometer durch den Dschungel. Hört sich toll an, wäre es auch gewesen, wenn mein Rad nicht nur einen Gang und keine kaputte Bremsen gehabt hätte. Das ist bei einer Strecke, die ständig bergauf und bergab geht doch sehr anstrengend. Die Natur war dennoch überwältigend und nun lässt mich die Idee nicht mehr los, mit dem Fahrrad eine Regenwaldradtour zu machen. Vielleicht dann auf Yucatan. Faultiere habe ich leider keine gesehen aber dafür waren wir am Playa de las Estrellas, wo es eine Seesternkolonie gibt. Leider hat sich jedoch der Hängemattenverleih dafür entschieden, den ganzen Strand mit seinen fünf liebsten Bob Marley Hits zu beglücken und da mich nichts auf der Welt so aggressiv macht wie Reggae, musste ich recht bald wieder nach Hause fahren. Ich glaube, so langsam überkommt mich ein wenig der Strandkoller. So wunderschön es hier auch ist, länger als 2 Wochen ohne Großstadt halte ich dann doch nicht aus. Und so geht es heute Abend, wenn wir den Flieger nicht noch mal verpassen, endlich nach Mexiko City.

Mittwoch, 29. Februar 2012

Fett und Freude

Das Geheimnis der panamesischen Küche ist die Fritteuse. Völlig egal, ob Pflanze oder Tier - wird die Speiße hier nicht von einer deftigen Schmalzpanier umgarnt, kommt sie erst gar nicht auf den Teller. Dazu gibt es fast immer in Öl gebadeteten Reis oder Pommes. Das Salatblatt oder die Tomatenscheibe ist mehr als Zitat denn als Beilage zu verstehen. Zeitweise fühlt man sich in ein österreichisches Provinzgasthaus versetzt, würde es sich bei den in Fett geschwenkten Köstlichkeiten nicht um Kochbananen und Yukapflanzen handeln. Heute haben wir jedoch ganz ausgezeichnet gegessen und zwar in einem französischen Bistro in Casco Viejo, Panama City. Eigentlich war dieser Aufenthalt ja nicht geplant, durch eine Verkettung unglücklicher Umstände haben wir jedoch unseren Flug nach Bocos del Toro versäumt. Als wäre dies nicht genug, habe ich noch meine Reisetasche mit all meinen liebsten und teuersten Kleidungsstücken (inklusive Schuhe) im Taxi vergessen. Der Herr gibt, der Herr nimmt. Man soll sich ja auf die schönen Dinge des Lebens konzentrieren. Deshalb habe ich mir noch in aller Ruhe die Altstadt aus der Kolonialzeit angesehen. Das Viertel war bis vor kurzem ein Ghetto, da es aber zum Weltkulturerbe erklärt wurde, hat man die Bewohner umgesiedelt (wohin, ist ein Rätsel) und ist nun dabei, alles zu renovieren. Allerdings nur die Fassaden, da die meisten Häuser innen völlig zerstört bzw gar nicht mehr vorhanden sind. Das sieht zum Teil sehr merkwürdig aus und verleitet zu billigen Gedanken über den schönen Schein und nichts dahinter etc etc. Einwohner gibt es also keine mehr, dafür Unmengen an Bauarbeitern und Soldaten, was ja nicht unbedingt die zwei schlechtesten Berufsgruppen auf der Welt sind. Die Feuerwehrmänner hier heissen übrigens Bomberos. Erwähnenswert erscheint mir noch, dass alles hier in Pastell- und Knallfarben angestrichen ist, was meinem ästhetischen Empfinden natürlich sehr entgegen kommt. Und die Häuser auf dem Land sind aufgrund der obligatorischen Veranda vor dem Eingang sehr oft mit antiken Säulen verziert, die Korinthische erfreut sich einer besonderen Beliebtheit. Wenn man weiß, dass Säulen ja ursprünglich, also im alten Ägypten, Palmen dargestellt haben, dann freut man sich diese völlig aus Zeit und Kontext gerissen, in palmenbewachsenen, hysterisch bunten, panamesischen Vorstadthäusern wiederzufinden. Natürlich kann man sich auch grundlos über korinthische Säulen freuen. Dazwischen stehen lauter Ruinen von doch nicht fertig gebauten oder verfallenen Häusern. Irene hat mir erklärt, dass es am extremen Klima liegt, dass hier alles so schnell kaputt geht. In jedem Dorf gibt es übrigens einen Karnevalswagenfriedhof, auf dem die gesammelten Dekorationselemente aus Styropor, Farbe und Glitzer der letzten Jahre herumliegen und vergammeln. Panama scheint sich nicht zwischen Glamour- und Used-Look entscheiden zu können. Wie eine gute Party so gegen 04:00 Uhr. Wie auch immer, letztendlich sind wir nun auf Bocas del Toro gelandet. Zum ersten Mal nun im gelobten Land: der Karibik! Aber darüber morgen mehr. Nur soviel: es ist zum Weinen schön.

Sonntag, 26. Februar 2012

Tiere (1)

Habe gerade gelesen, dass es in Panama Harpyien gibt und diese sich unter anderem von Faultieren ernähren. Das finde ich ausgesprochen lustig.

Samstag, 25. Februar 2012

Lazy Days

Trotz einer Durchschnittstemperatur von 30 Grad plus und einer genau so hohen Fahrgeschwindigkeit aufgrund der vielen Schlaglöcher, ist mir das Autofahren hier ein ungewohnter Genuss. Das liegt nicht nur an den schwer zu bekämpfenden Liebesgefühlen für Kai, der einen vom Babysitz aus abwechselnd schlägt und anlacht (der Trick hat schon immer bei allen funktioniert) sondern auch an der betörend schönen Landschaft. Wie erstarrte und verdorrte Wellen wandern die unzähligen, kleinen Hügel bis zum Horizont und türmen sich in der Ferne zu Miniaturgebirgen auf. Auf der anderen Seite liegt der pazifische Ozean. Immer wieder versteckt er sich frech hinter einem verdörrten Hügelchen und taucht hinter der nächsten Kurve umso eindrucksvoller auf, die Farbe changiert zwischen hellblau und einem dunklen stahlblau, je nach Tageslicht. Ich halte öfters nach Walen Ausschau obwohl gerade nicht Saison dafür ist aber man weiß ja nie was die Viecher Verrücktes treiben, in Zeiten des Klimwandels. Tropische Fische in allen vorstellbaren Farben und Formen hab ich hingegen schon zahlreich gesehen, heute habe ich mit Schwimmbrille in einem Korallenriff getaucht. Leider ohne Schnorchel, ich wünschte, ich hätte die Lunge meines Bruders. Im Wasser findet man außerdem allerlei Krebse und Krabben, lila Quallen, irgendwelche weißen, sehr ästhetisch aussehenden Reiher, überhaupt ist hier alles ständig voller Vögel, vor allem so riesige Adlergleiche, die überall kreisen, dann gibt es auch noch Stachelrochen, von denen die Surfer hier Schauergeschichten erzählen. Man müsse seinen Fuss in kochendes Wasser halten, um den Stachel herauszubekommen und habe das Gift 4 Jahre lang im Körper und so weiter und sofort. Habe schon wieder einen Skorpion getötet, diesmal war er doppelt so groß, er ist in Raphaelas Koffer gekrochen, es wird immer schauriger. Ja, übrigens, Raphaela ist auch endlich angekommen und ich hab ihr gleich das Meereshighlight (im leuchtenden Plankton schwimmen) gezeigt, sie hatte das auch noch nie zuvor gesehen. Ebbe und Flut sind hier so stark, dass man in der Früh riesige, zerbrochene Muscheln und Knochen finden kann. Die Knochen sind von Kühen behauptet Leaf, weil hier so viele gegessen werden, ich stelle mir aber lieber vor, es wären Haiknochen oder Seekühe. Wir haben davon eingesammelt, was wir tragen konnten und sie auf den Gartentisch gelegt und da werden sie wohl nun bis in alle Ewigkeit vor sich hingammeln, da wir dergleichen natürlich nicht mitnehmen können. Aber vielleicht ist ja noch Zeit, um einen dekorativen Zimmerbrunnen für Leaf und Irene zu bauen. Den Kai dann auf der Stelle zerstören kann. Das ist nämlich sein liebstes Hobby. Gegenstände fest auf den Boden schmeissen, Watschen verteilen, Schreien und Essen. Das österreichische Erbe kommt leider durch. Apropos Essen: unser netter Nachbar, ein Jusprofessor, hat nicht nur ein Haus mit fantastischer Terrasse mit Meeresblick sondern auch noch einen Steinofen, in dem man Pizza backen kann. Eine erhebende Erfahrung gleichzeitig beobachten zu können, wie der Pizzateig im Ofen auf- und die Sonne über dem Meer untergeht. Von diesen aufregenden Ereignissen abgesehen, waren die letzten Tage monoton aber würdevoll: essen - baden - essen - schlafen - baden - essen - schlafen. und das an unterschiedlichen Stränden der Umgebung mit wechselnder Szenerie: mal Sand, mal Steine, mal Aussicht auf Berge, mal Aussicht auf Inseln, mal mehr Kokosnusspalmen, mal eher Urwald, mal mehr Blumen, mal mehr Vögel, weisser Sand oder schwarzer Sand, weiche, grüne Kokosnuss gepflückt oder gelbe, harte. Alles Pittoreske dieser Welt beklemmend schön vereint.

Mittwoch, 22. Februar 2012

Karneval in Las Tablas und Pedasi

Den Karneval habe ich mir anders vorgestellt. Ich dachte an endlose Paraden hysterischer Wagen und wild Salsa tanzenden Menschenmassen. So wie man das halt aus der Zeitung oder dem Fernsehen kennt. In Panama geht es jedoch mehr um anspritzen. Mehrere Löschwagen stehen in einem von der Polizei abgesperrten Viertel und spritzen die feiernden Leute mit Wasser ab. Beinahe jeder hat eine Spritzpistole oder Kercher-artige Rucksäcke mit Pistole. Zur Not tut es auch ein Becher Eiswasser. Damit wird gnadenlos jeder nass gemacht, spätestens 5 Minuten nach dem Eintritt in die Karnevalszone ist man bis auf die Unterhosen durchnässt. Das klingt schrecklich, ist es aber nicht, da wir uns ja in den Tropen befinden und bei Temperaturen über 30 Grad freut man sich über jede Wasserspende. Ich zumindest. Ein wenig anstrengend wird es, wenn die geifernden Männer gezielt auf Schritt und Brüste der Frauen spritzen. Aber selbst das ist mir lieber als die gynäkologischen Untersuchungen, welche man als Donaufestivalbesucherin über sich ergehen lassen muss. Alles in allem habe ich noch nie so eine rücksichtsvolle, umsichtige Menschenmasse erlebt. Kein einziges Mal ist mir jemand auf die Füsse gestiegen oder hat mich angerempelt, selbst im ärgsten Gedränge nicht, sehr erstaunliche Erfahrung. Beim Karneval teilt sich Las Tablas in zwei Hälften, die eine gehört zur Calle Arriba, die andere zur Calle Abajo. Jede Seite hat ihre eigene Königin und diese, so wie auch die Karnevalswagen und die Musiker stehen in Konkurrenz zueinander. Man versucht sich durch mehr Glamour und Spass beim Feiern zu übertrumpfen. Der Wagen der einen Königin hatte ein ästhetisch sehr ansprechendes Azteken-Thema, der andere hat so etwas wie ein Piratenschiff dargestellt. Auf dem Aztekenwagen waren auch halbnackte Männer, das hat mich natürlich aus feministischen und anderen Gründen mehr angesprochen. Apropos Männer: in Las Tablas scheint es eine sehr große Gay-Community zu geben und die paar panamesischen Transen, die ich gesehen habe, waren atemberaubend. Leider habe ich keine Fotos gemacht, da ich Angst um meine Kamera hatte. Aber Fotos sind bei so Veranstaltungen ohnehin völlig sinnlos, da man nicht einmal einen Hauch der Atmosphäre erahnen kann. Gegen Abend fuhren wir dann zurück nach Pedasi, um dort die Karnevalsfeiern auch noch mitzubekommen und auch weil wir uns ein wenig vor der Nacht in Las Tablas gefürchtet haben. In Pedasi war alles naturgemäß entspannter und kleiner, dennoch kamen wir dort erst so richtig in Fahrt, könnte mit dem Zuckerrohrschnaps zusammenhängen, man weiss es nicht. Wir haben uns zu den Einheimischen hinter die Musikwagen gestellt und mehrere Runden wild mitgetanzt. Man glaubt gar nicht, wie sehr einen Blasmusik und Percussions in Ekstase versetzen können, wenn das Umfeld nur passt. Die Einheimischen haben sich, glaube ich, sehr gewundert aber auch gefreut, da wir die einzigen Gringos waren, die nicht nur an der Seite standen und gegafft sondern mitgetanzt haben. Und wenn sie sich geärgert haben, dann hatten sie am nächsten Tag wenigstens ein gutes Thema zum schimpfen. In Pedasi gab es außerdem auch Wägen mit kleinen Mädchen in folkloristischer Tracht, das war natürlich auch sehr liebreizend anzusehen, die Eltern haben ihnen sogar netterweise ihre ganze Mitgift in Form von Goldschmuck um den Hals gehängt. Dramatischer Höhepunkt des Abends war mein obligatorischer Sturz den Abhang hinunter, bei dem ich mir das Knie aufgeschlagen und einen meiner Flip Flops zerstört habe, den Momo dann heldenhaft mit Hilfe ihrer Zähne gerichtet hat. Heute hatte sie leider Bauchweh.

Dienstag, 21. Februar 2012

Erste Tage in Playa Venao/Panama

Nach einer wirklich anstrengend 20-Stunden-Reise, die ich betrunken begonnen und verkatert beendet habe, kam ich schlussendlich in Casco Viejo, der historischen Altstadt Panama Citys, an. In dem mir von meinen Freunden empfohlenen Hostel fiel ich todesgleich am frühen Abend ins Bett, was mir glücklicherweise gleich einen gesunden alte-Leute-Schlafrythmus (ich wache hier immer mit Sonnenaufgang auf), ohne Jetlag beschert hat. In der Früh hab ich mich sofort, vor den anderen Backpackergästen des Hostels fliehend, auf die Suche nach einem Supermarkt gemacht, dabei habe ich natürlich eine andere Wienerin kennengelernt, die klarerweise eine Freundin von Momo ist (welche auch gerade in Playa Venao auf Urlaub ist), wie ich später noch herausfinden würde. Die Altstadt ist atemberaubend schön, der Blick auf die Wolkenkratzerskyline ebenso, überall wachsen bunte Blumen und Palmen, ich werde aber hoffentlich noch mal mehr Gelegenheit haben, mir Panama City umzusehen aber zuerst wollte ich meine Freunde wiedersehen. Also ab in den Bus nach Las Tablas, 5 Stunden Fahrt südlich entlang der Pazifikküste. Eine panamesische Busfahrt unterscheidet sich übrigens in keinster Weise von einer Kambodschanischen. Die gleichen geschmackvollen Blumenvorhänge, die selbe schreckliche, dröhnend-laute Musik, die selben Temperaturen und selbst die vorbeiziehende Landschaft unterscheidet sich bei schlampigen Blick nicht sonderlich. Am Anfang der Busfahrt hat sich ein dicker Mann ans Ende gestellt und Witze gemacht und der ganze Bus hat gröhlend gelacht, das war sehr sympathisch. In Österreich würde man gleich die Polizei holen. Dann hat er Armbänder verkauft und auch ein paar billige verschenkt. Mein Sitznachbar hat sich zwei genommen und mir eines geschenkt. In Las Tablas hielt der Bus genau vor einer Polizeistation, in der die jungen Polizisten gerade alle im Hof Pause(?) machten. Gerne hätte ich etwas Illegales unternommen, war aber leider durch meinen 27-Kilo-Koffer behindert. Dann kam schon Irene des Weges, freudige Begrüßung nach zweienhalb Jahren und wir sind zu ihrem Jeep. Dort hat mich gleich ein Betrunkener aus dem Auto heraus angebrüllt:"WHY ARE YOU SO BEAUTIFUL??" Ich fühlte mich akzeptiert. Dann sind wir circa eine Stunde in das Haus ihrer Schwester gefahren, Irenes ganze Familie ist mit nach Panama ausgewandert. Die Landschaft wurde mit jedem Kilometer schöner. Los Santos, so heisst die Provinz, besteht aus lauter kleinen Hügeln, wie ein Miniaturösterreich oder Hobbitland. Da gerade Trockenperiode ist, ist das Gras verdörrt und gelb, die Erde hier ist rötlich, wie eine Steppenlandschaft. Dazwischen wachsen jedoch immer wieder grüne, saftige Palmen, Bäume, Blumensträucher. Es kommen uns kaum Autos entgegen, Irene erzählt mir, dass gerade "so viel los" sei, weil Karneval in Las Tablas ist und das ganze Land dorthin fährt. Und dass sie ziemliche Einsiedler geworden seien. Dann Reunion mit Leaf, Momo, Sophie und Kennenlernen mit Kai, ihrem einenhalb Jahre alten Sohn. Im Garten wächst ein Papayabaum mit mindestens 7 riesien Früchten und etwas, das aussieht wie ein Mangobaum. Ich kriege beinahe schlechte Laune, weil es hier so schön ist. Dann esse ich das Nationalgericht, Reis mit Huhn, und wir fahren zu Irene und Leafs Haus in den Nachbarort, Playa Venao. Das Haus steht auf einer kleinen Anhöhe, man hat einen schönen Ausblick auf die Hügellandschaft, im Garten wächst allerlei exotisches Zeug, es gibt freilaufende Hühner und eine Murli. Es ist spartanisch eingerichtet aber dadurch sehr entspannend und gemütlich. Das Haus gehört allerdings Freunden, Irene und Leaf bauen sich gerade ihr eigenes Haus auf ihrem Grundstück. Da fahren wir dann auch gleich hin, nachdem wir Essen und Alkohol in Kühlboxen gepackt haben. Mittlerweile ist es dunkel, mit dem Auto sind es circa 5-10 Minuten auf einer achterbahnartigen Landstrasse. Das Grundstück ist auf einem Hang, der zum Strand hin leicht abfällt, es ist bewachsen mit allerlei Bäumen und Palmen und liegt an einen einsamen Winkel der Bucht, der ganze Surfertrubel ist ein paar Kilometer weit weg, kaum jemand macht sich die Mühe so weit zu laufen. Ein Freund von Leaf ist schon da und hat zwei Lagerfeuer entzunden, die Nacht ist pechschwarz und so viele Sterne habe ich noch nie auf einmal gesehen. Zum Wasser muss man aufgrund der Ebbe ziemlich weit laufen aber dank Sandstrand fühlt sich auch das wie eine Wellnessbehandlung an. Wellness, Wellness, Wellness! Ist auch mein erster Gedanke, als ich zum ersten Mal im Meer bade. Es ist nämlich voll mit fluoreszierenden Plankton, der aufleuchtet, so bald man ihn mit dem Körper berührt. Es ist völlig sinnlos, das beschreiben zu wollen, da man es einfach selbst erlebt haben muss. Auf jeden Fall ist es das schönste Naturerlebnis, dass ich je hatte und ich empfehle niemanden zu sterben, ohne vorher in leuchtenden Plantkon geschwommen zu haben. Den Rest der Nacht werden Unmengen an Fleisch gebraten, Zuckerrohrschnaps und Bier getrunken und unzählige Pfeifen geraucht. Irgendwann falle ich bewusstlos auf eine Matratze und wache pünktlich zum Sonnenaufgang wieder auf, nur noch Sophie und ihr Freund liegen neben mir, der Rest ist verschwunden. Ich fotografiere den Sonnenaufgang obwohl wirklich kein Arsch Sonnenaufgangfotos benötigt und dann gehe ich eine Runde schwimmen. Auf dem Rückweg finde ich versteinerte Korallen, riesige Muscheln, ein Krebsskelett. Langsam stellt sich eine tiefe, seit langem nicht mehr gefühlte Entspannung ein. Den Rest des Tages verbringe ich hauptsächlich am Meer, mit Baden, Lesen, Dösen, Reden, Essen. Das Gehirn schaltet sich langsam aus. Und ich bekomme meine erste Surflektion, es ist noch zehntausendmal schwerer als ich dachte. Sollte ich es in den nächsten Jahren einmal schaffen, aufzustehen, werde ich schon sehr glücklich sein. Am Abend schlafe ich nach einem reichlichen Mahl in der Hängematte auf der Veranda ein