Sonntag, 3. Juni 2012

Habana, mon Amour

Man verzeihe mir die einmonatige Schreibpause aber in Kuba ist es leichter sich stündlich neu zu verlieben als ins Internet zu gehen. Internetzugängen gibt es nur in Hotels und die sind so langsam wie in den 90ern und so teuer als würde jede Email auf Büttenpapier handgeschrieben werden. Da vergeht einem schnell die Lust überhaupt noch irgendetwas mit der Außenwelt zu kommunizieren. Ganz davon abgesehen, dass ich in der Sekunde, in der ich den Fuss auf kubanischen Boden gesetzt habe, mein vorheriges Leben völlig vergessen habe. Eigentlich fing es schon mit dem ersten Blick auf die Insel vom Flugzeug aus an. Ein helltürkises Meer, ein paar kleine, verstreute Atolle aus weißen Sand, ein paar Puffwölkchen darüber und sonst nichts außer blauer Himmel. Irgendwann taucht dann in einer Nebelschwade plötzlich das gewaltige Festland auf mit seinen satten, schweren Tropenwäldern und den rostroten Tabakfeldern. Ich weiß nicht genau, was es so anders macht. Ich war ja nun doch schon in ein paar tropischen Ländern. Aber nichts sieht wirklich vergleichbar aus. Vielleicht ist es die fehlende Werbung. Es gibt im ganzen Land keine Werbung außer die der Regierung für sich selbst. Patria o Muerte, Hasta la Victoria Siempre, das ganze Kasperltheater eben.  Und selbst die besteht nicht aus gedruckten Plakaten sondern aus Wandmalereien. Jeder Reiseführer vergleicht einen Kubabesuch nach spätestens 10 Sätzen mit einer Zeitreise in die 50er und dem ist auch wirklich so. Selten drängt sich postmoderner Tand wie neue Protzautos oder Reggaeton-Musik ins Bewusstsein aber darüber freut man sich dann eigentlich genau so wie man sich im Westen über Nostalgisches freut. Die Leute jedoch sind genau so gekleidet wie überall, zumindest die, die es sich leisten können. Glücklicherweise ist es sehr heiss und  schwül und darum haben alle nur ganz wenig an. Das mag in Österreich eine traurige, schlimme Sache für alle Beteiligten sein, in Kuba hingegen möchte man jeden Tag auf blutenden Knien in die Kirche rutschen und Gott für die Erfindung des Unterleiberls und der spanischen Kolonisierungspolitik danken. Die Kubaner sind nämlich das schönste Volk auf Erden. Gut, ich war noch nicht überall und habe bestimmt nicht alle ethnischen Gruppen dieser Erde optisch studiert. Aber ich halte es für völlig ausgeschlossen, dass es irgendwo anders noch besser sein kann. Beinahe jeder, egal welches Alter, hat einen Adoniskörper. Ich bin mir nicht sicher, ob das an erblicher Veranlagung, harter körperlicher Arbeit oder viel Zeit für Sport und Spiel liegt. Aber selbst die 60jährigen schauen aus wie bei uns nur 20jährige McFit-Junkies aussehen. Die 12jährigen Kinder übrigens auch. Ich hab (geschätzte) 8jährige mit Sixpack gesehen. Und als ob das alleine schon nicht genug Demütigung wäre, ist jeder Dritte auch noch so schön, dass man sich eine SEHR ernsthafte Beziehung vorstellen könnte. Bei jedem Zehnten fällt man einfach in Ohnmacht. Aram, mein Cousin, mit dem ich in Kuba war, sind eine Woche lang hauptsächlich spazierengegangen und haben uns die schönen Menschen angesehen. Ich habe mir zum ersten Mal in meinem Leben keine Kirche in einer fremden Stadt bewusst angeschaut. Oder sonstige Sehenswürdigkeiten. Wir waren zwar auf der Habana Biennale aber an die erinnere ich mich zum Glück kaum noch. Die war nämlich eine Unverschämtheit und eine Beleidigung an alle Kunstinteressierten mit Gehirn. 160 Euro haben wir für die Tickets gezahlt, um dann Selbstgebasteltes vorgesetzt zu bekommen, dass bei uns nicht mal die Aufnahmsprüfung in den Volkshochschulkurs bestehen würde. Natürlich kann man das Kunstverständnis eines völlig anderen Kulturkreises nicht mit dem eigenen gleichsetzen. Aber ich finde doch, dass es universale Regeln gibt, wie zum Beispiel sorgsamer Umgang mit dem Material oder intelligente Konzepte und die haben bei dieser Biennale offensichtlich niemanden interessiert. Ich kann nur spekulieren, ob es damit zu tun hatte, dass nur Parteitreue ausstellen durften. Wahrscheinlich. Ich habe gelesen, dass die international erfolgreichen, richtig guten Künstler in Kuba so anonym wie möglich leben, weil sie sonst ihr ganzes Geld dem Staat geben müssen und für Propagandazwecke benützt werden. Insofern macht es Sinn, dass keiner von denen auf der Biennale zu finden war. Natürlich gab es auch internationale Künstler, sogar Hermann Nitsch und Marina Abramovitch waren dabei. Aber, ich glaube nach 3 Tagen, haben wir aufgegeben und uns nur noch den wahren Schönheiten dieses Landes gewidmet. Dazu zählt untere anderem auch die eklezistische Architektur Havannas. Und hier auch wieder das Gleiche. Ich hab mir ja erwartet, dass es eine schöne Stadt ist. Aber ich hab mir nicht erwartet, dass es SO eine schöne Stadt ist. Man nehme Barockarchitektur, französischen Klassizismus, spanische Kolonialarchitektur, kommunistische, absurde Protzbauten und ein bisschen Miami/Palm Springs-Style aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, schmeisse alles in einen Topf und schütte noch ein bisschen extra Pastellfarbe drüber und würze es mit Meer und Palmen und voila: La Habana! Vieles ist schon zerfallen und schwer renovierungsbedürftig aber so abgewrackter Ruinenschick lässt das gemeine, europäische Herz sowieso immer höher schlagen. Architekturruinen sind die röhrenden Hirsche der 00er Jahre. Dazu kommt noch, dass die meisten Autos in Havanna Oldtimer sind, die in Europa ein Vermögen kosten würden und die man wenn, dann sowieso nur auf Sonderveranstaltungen oder im Museum sieht. Hier sind sie die Standardautos. Nachdem ich jetzt zum ersten Mal in einem Chevrolet dringesessen bin, weine ich diesem Automodell hinterher. Wie unglaublich viel Platz man darin hatte! Das war kein Autofahren, das war wie eine Fahrt auf einem Sofa. Natürlich vom Benzinverbrauch und von der Platzbeanspruchung her eine Katastrophe aber jaja, blablablabla. Statt dass jeder ein hässliches, kleines, viel zu enges Auto hat, wäre ich für Chevrolets, die man sich teilt. Der allerschönste Mann, den ich in Kuba gesehen habe, war übrigens der Taxifahrer eines solchen Modells. Ein riesiger, dunkelblauer Chevy mit absurden Heckspoilern. Und dann sitzt noch ein Mann am Steuer, gegen den Brad Pitt ein Klobesen ist. Nun mal genug für heute. Morgen erzähl ich dann von Aram und Mariannes lustigen Abenteuern. Jetzt muss ich in die Stadt. Ich bin nämlich gerade zum zweiten Mal in Habana angekommen.

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