Dienstag, 1. Mai 2012

Comfort Zone und Pyramiden

Nach 3 Wochen unterwegs sein hat sich meine Rückkehr nach Mexico City beinahe wie ein nachhause kommen angefühlt. Lou, Max und Gustavo haben sich auf der Kunstmesse mit mir getroffen und sich alle sehr gefreut, dass ich wieder da bin. Das war gut und schön, denn dann habe ich mich wieder wohlgefühlt in der Stadt. Die Kunstmesse war erwartungsgemäß langweilig und voller widerlicher Leute in Maßanzügen und High Heels. Meine gute Laune steigerte sich dann schon beinahe ins Hysterische, als ich Roxana und Zac vom Flughafen abgeholt habe. Mit Roxana habe ich gemeinsam in London im Frühling 2009 studiert und seit dem haben wir uns nicht mehr gesehen außer die eine Woche direkt danach, die sie mich in Wien besucht hat. Zac ist ihr Boyfriend, den ich aber vorher noch nie getroffen habe. Die beiden wohnen in Los Angeles, da will ich zwar immer wieder aufs Neue hinfliegen aber natürlich geht das wegen der Ticketpreise nicht so einfach. Die ersten Tage verbrachten wir kochend, essend, trinkend, tanzend, feiernd auf diversen Parties, Bars und Restaurants, die Heilige Dreifaltigkeit von Nahrung, Rausch und Bewegung bei sozialen Ereignissen noch immer unschlagbar. Rückblickend war das gemeinsame Tanzen für mich das Schönste, denn das vermisse ich in Mexiko wirklich sehr, hier will mich ja jeder nur zum konformen, Schritt vorgebenen Salsatanzen nötigen. Aber Roxana und Zac sind ganz wunderbare, experimentelle Tänzer, die keine Scheu vor Lächerlichkeiten haben und ihre Arme und Beine in alle Richtungen schleudern, als gäbe es keine Klagen wegen Körperverletzung. Noch dazu kommt, dass Roxana auffallend klein und Zac auffallend groß von Statur ist, was der ganzen Show noch einen herzerwärmenden, zirkushaften Touch verleiht. Darum habe ich mich auch redlich bemüht, meine körperlich-langweilige Norm durch besonders exzentrische Bewegungen auszugleichen. Ich glaube, wir waren ein sehr eindrucksvolles Team, auf jedenfall wurden wir auf keine Party erneut eingeladen, geschweige dem hat uns jemand seine Telefonnummer gegeben, bis auf ein sehr dicker Koch, der italienisches Essen für uns kochen wollte aber ich glaube, es ging ihm eigentlich um etwas Romantisches. Am Montag war ich dann ein wenig erschöpft von so viel ungewohnter Geselligkeit und wollte außerdem meine neuerworbenen Rollschuhe ausprobieren und das entpuppte sich als großer Fehler, denn beim Roller Derby Training fiel bei einer Fahrübung eine Anfängerin leider so unglücklich auf mich drauf, dass ich mit dem Kopf voran auf den Betonboden knallte und in Folge eine großflächige Fleischwunde auf der linken Gesichtshälfte hatte. Zum Glück trug ich einen Helm, sonst wäre eine Gehirnerschütterung wohl das Mindeste gewesen aber die Wunde war auch nicht schick, vor allem, da sie am nächsten Tag übel zu schwellen, eitern und krusten begann. So blieb ich 3 Tage allein zuhause, während Roxy und Zac tapfer allein die Stadt und das Land erkundigten, was mir sehr leid tat aber ich konnte mich auch nicht überwinden, das Haus zu verlassen und womöglich als Hexe am Scheiterhaufen verbrannt zu werden. Glücklicherweise hatte Zac Teebaumöl mit, dass sich als wahre Wundertinktur erwies, denn nach 5 Tagen war meine Wunde fast völlig verheilt, mittlerweile ist nur noch ein rötlicher Fleck zu sehen. Als ich dann nur noch nach Ausschlag und nicht nach ansteckender Krankheit aussah, besuche ich mit Roxana und Zac die Ruinen von Teotihucana, der einst größten, mesoamerikanischen Stadt, die circa um 800 herum aus unbekannten Gründen verlassen wurde. Die Stadt hatte ca. 200.000 Einwohner und heute ist noch ungefähr ein Zehntel der einstigen Fläche zu sehen, natürlich restaurierte Ruinen, dennoch ist es unglaublich beeindruckend. Die Pyramide des Mondes und der Sonne sind 46 bzw 65 Meter hoch und säumen die Strasse der Toten, die 2 km lang ist. Die Erbauer arbeiteten mit unglaublichen, optischen Illusionen (die mich stark an die Effekte in barocken Gärten erinnerten), zumindest für mich unglaublich, wie man ohne Rad, Lasttiere oder überhaupt High-Tech so etwas bewerkstelligen kann aber ich würdes vermutlich nicht mal schaffen, eine gerade, stabile Mauer zu bauen. Ich habe mich dann auf die Spitze der Sonnenpyramide gesetzt um eine zeitlang traurig zu sein, dass ich diese Stadt nicht im Originalzustand sehen kann, denn etwas Vergleichbares gibt es wohl auf der ganzen Welt nicht mehr. Allein die Farben und die Wandmalereien. Ich wünschte, man könnte das restaurieren. Wäre ich gelangweilter Milliardär, würde ich mein Geld dafür ausgeben. Am nächsten Tag haben wir auf die Empfehlung einer Freundin hin Puebla besucht, das in einem Tal umgeben von drei Vulkanen liegt, einer davon ist der Popocatepetl, der bald auszubrechen droht. Puebla sieht genau so aus, wie man sich Mexico im Bestfall vorstellt, nur hatte ich vorher keine Ahnung, wie schön es wirklich ist und diese Überraschung war natürlich äußerst befriedigend für touristische Gelüste. Zu meinem Glück gab es auch noch an jeder Straßenecke eine Barockkirche außer Rand und Band, vollgestopft mit vergoldeten Stuck, rußgeschwärzter Ölportraits und peinlicher Restaurationsversuche. Der Höhepunkt war aber eindeutig Tlachihualtepetl, die größte je gebaute Pyramide mit einer Seitenlänge von 400x400 Meter. Da die Pyramide schon dem Verfall preisgegeben und von Gras und Büschen überwachsen war, als die Spanier einfielen, erkannte man sie als solche nicht und baute eine barocke Kirche darauf. Mittlerweile hat ein paar klägliche Teile am Fuße der Pyramide freigelegt und unterirdische Tunnel gefunden. Bei unserer Ankunft war der untere Bereich leider schon geschlossen aber der Weg zur Kirche hinauf war zugänglich und so kamen wir gerade rechtzeitig zu dem atemberaubendsten Sonnenuntergang, den ich je gesehen habe. Die Sonne ging nämlich, umgeben von einer Wolke grellen Pink, direkt zwischen den zwei Vulkanen Popocatepetl und Itzaccihuatl unter und strahlte exakt wie ein Bühnenscheinwerfer auf die gerade ausgestoßene Rauchwolke des Popocatepetl. Ein paar hundert Meter vor uns lies jemand gerade einen Drachen steigen, der die Szenerie beinahe schon unerträglich kitschig machte. Vulkane für sich allein sind an Coolness schon schwer zu übertreffen. Aber Vulkan, Pyramide, Barockkirche UND pinker Sonnenuntergang. Es hätte nur noch ein Strand und eine Palme gefehlt aber das lässt sich vielleicht mal als abscheuliche, großformatige Malerei umsetzen. Mehr und mehr ist ja bekanntlich besonders schön. Den letzten Abend verbrachten wir dann mit Ana und David, 2 Freunden eines Freundes von Thomas, also ein Blind Date in mehrfacher Hinsicht. Wir hatten ein hervorragendes Essen im Cafe la Opera und Margaritas im Wawis, einem queeren Tanzlokal mit Drag- und Strippershow. Ich habe zum ersten Mal Cumbia getanzt und vom anabolikagestärkten Kellner eine Gratislektion darin erhalten, anschließend habe ich allen eine Rose geschenkt, ich glaube, die Männer waren recht irritiert davon, das ist mir immer die größte Freude, wenn es so einfach geht.

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