Donnerstag, 19. April 2012

Miahuatlan/Puerto Escondido

Die Busfahrt nach Miahuatlan durch das Tal von Oaxaca war wie ein besserer Drogentrip. Ich fasse es noch immer nicht, wie bizarr die Landschaft hier sein kann, wenn sie denn auch möchte. Riesige Palmen formieren sich plötzlich zu völlig lächerlichen Puschelformen, als hätte sie ein hysterischer Barockgärtner zurechtgestutzt, Dornenbüsche ertrinken in Meeren aus weißen und pinken Blüten, dann wieder kilometerlang nur Staub und Sand, man biegt um die Ecke und ist auf einmal in der saftigsten Oase, die Tropen lauern hier überall. Und alles eingezäunt von 4000 Meter hohen Bergen, die so weitläufig und ausgestorben scheinen, dass man unweigerlich das Gefühl bekommt, es gäbe zuviel Platz in Mexiko und irgendwer soll doch bitte mal ein schönes Parkhaus oder ein Shoppingcenter irgendwo hinstellen. Dazu kommt alle gefühlte 30 Minuten ein dramatisches Gewitter, abgewechselt von strahlendem Sonnenschein. Ein paar leichte Erdbeben gab es übrigens auch wieder und gestern erst las ich in der Zeitung, dass der Popocatepetl, der größte Vulkan von Mexiko, kurz vor dem Ausbruch steht. Er raucht schon bedrohlich und in der Nacht sind man die Lava in seinem Schlund rot glühen. Ist ja nur einen Katzensprung weg von Mexiko City, Katastrophentourismus galore! Aber ich komme vom Thema ab, ich wollte von meinem absurden Kurzurlaub im Köln von Mexiko, Miahuatlan erzählen. Köln, weil auch so langweilig und sinnlos, in Miahuatlan gibt es schlicht und einfach gar nichts, außer zwei ganz nette Kirchen, die sich durch besonders scheußliches Interieur auszeichnen. Die alte Wandbemalung scheint beschädigt worden zu sein, darum hat man den erstbesten Malermeister beauftragt, diese neu zu gestalten. Das Ergebnis ist eine Orgie aus falschen Marmor und einem sehr eklektischen aber brutalen Kunstverständnis. Wo noch zu wenig Prunk war, hat man ein paar Kilo Glitter drübergeschüttet und die Gesichtszüge der Heiligen noch greinender gemacht. Blumen helfen auch immer. Ansonsten gibt es Internetcafes und Comidas. Nichts, was den Namen Cafe oder Restaurant oder Bar verdienen würde, angeblich eine Disco aber die habe ich nie gesehen. Bis auf ein paar Englischlehrer war ich auch die einzige Weiße in der ganzen Stadt und darum wurde mein täglicher Spaziergang wohl zum unterhaltungstechnischen Highlight der Stadt. Doch die Hauptattraktion und der Grund, weshalb ich dann wohl doch auch länger blieb, war mein Gastgeber Mauricio. Mauricio ist ein Freund von Martina und Irene, mit denen ich auf der Akademie studiert habe, sie haben sich während ihres Auslandssemester in Sydney kennengelernt. Mauricio ist Bauingenieur, kommt eigentlich aus Mexico City, lebt aber gerade in Miahuatlan im "besten" Hotel der Stadt, weil seine Firma in der Gegend ein Hochsicherheitsgefängnis baut. Da ich ohnehin in Oaxaca war und wir im Vorfeld ein wenig über Facebook geplaudert hatte und er mir recht vernünftig erschien, dachte ich mir, ich nehme seine Einladung an und besuche ihn. Jedoch war mir etwas Angst und Bange, denn ein wenig fremdel ich ja doch mit neuen Leuten und sich dann gleich ein Hotelzimmer teilen, das war sogar für mich recht wild. Dazu kommt noch, dass Mauricios Hobbys "Surfen und Golf spielen" sind und mit so einem Menschenschlag hatte ich bisher ja wirklich gar nichts zu tun. Doch alle Zweifel und Bedenken waren grundlos, wir haben uns von Anhieb bestens verstanden und pausenlos geistreiche Diskussionen über Astrophysik, das Leben allgemein, Verbrechen der mexikanischen Gegenwartsarchitektur und erinnerungswürdige Sauferlebnisse geführt. Leider musste er von früh bis spät arbeiten und so blieben immer nur ein paar Stunden am Abend für den intellektuellen Austausch und Bier. Einmal gingen wir auf eine Geburtstagsparty von Arbeitskollegen, die fand zu meiner Freude im hässlichsten Haus von ganz Miahuatlan statt, der Eigentümer hatte es selber designed, den Stil kann man wohl "Drogenboss aus Miami heiratet römische Ex-Berlusconi-Gespielin mit FengShuiDiplom" nennen. Ich habe nur ein paar sehr schlechte Fotos mit der Handykamera davon gemacht aber jeder, der die gleiche Vorliebe für Scheußlichkeiten hat, wird sich sehr freuen, sie zu sehen. Eine wahre Orgie der Schönheit! Die Kollegen konnten leider kein Englisch und wollten unbedingt, dass ich Salsa tanze, was ich wiederum nicht konnte. Darum habe ich die DJ-Macht in Form von Youtube-Videos an mich gerissen und einen Dancebattle zu Radio-NRJ-Musik gestartet. Spätestens bei "Sexy and you know it" war klar, dass es nur eine Gewinnerin geben konnte, nämlich mich. Schön, wenn sich die jahrelange Feierpraxis mal in Form von geglückten, interkulturellen Austausch endlich bezahlt macht. Mauricio war so tief beeindruckt von meinen geheimen Skills, dass er die ganze Nacht mit mir kuscheln wollte. Am nächsten Morgen hatte er dann leider schlechte Laune, dafür durfte ich mir die Baustelle des Hochsicherheitsgefängnisses ansehen, wirklich eines der Highlights meiner Tour. Die Baustelle war riesengroß, das Gefängnis wird für über 3000 Leute gebaut und als ich dort war, zog gerade ein Gewitter auf, das hat es noch unheimlicher gemacht. Die Baustelle wurde von Polizisten mit Maschinengewehren bewacht, ich glaube, das gehört zur Standardausrüstung hier. Ich habe mich mit meinem bauchfreien Top und meiner Leopardenhose dann etwas overdressed gefühlt, andererseits war mir der Platz im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit sicher (und da bin ich doch so gerne).
Am nächsten Tag fuhren wir dann endlich (4 Tage Miahuatlan reichen wirklich) nach Puerto Escondido, einem Hippiesurferküstendorf am Pazifik. Auch diese Fahrt war fantastisch, weil sie durch das Gebirge zuerst hoch hinauf geht und man sich auf einmal wieder in einer geradezu alpinen Landschaft voller nebelverhangener Fichtenwälder befindet. Die Strasse besteht quasi ausschließlich aus Serpentinen und da Mauricio gerne sehr, sehr schnell fährt, war es wie 3 Stunden lang Achterbahn fahren. Andere hätten gekotzt, ich habe mich gefreut, ich mag Zentrifugalkraft ja sehr gerne. Je weiter man dann wieder nach unten kam, desto tropischer wurde der Wald und plötzlich lag atemberaubend groß und blitzblau der Pazifik vor einem, gesäumt von der ersten, neckisch winkenden Kokospalmen. In Puerto Escondido angekommen, haben wir gleich ein wunderbares Hostel gefunden, ich bin normalerweise der Hostelfeind Nummer 1 aber das war tatsächlich eine Art Hippiedorf, mit dem man was zu tun haben möchte. Die folgenden 3 Tage verschwimmen in der Erinnerung in einer einzigen Masse aus am Strand liegen, im badewannenwarmen Wasser baden, Tequila trinken (ich habe übrigens endlich den Unterschied zwischen Tequila und Mezcal verstanden: die Agavenart!), Surfern zuschauen, Diskurse über Ästhetik, ekelhaft kitschige Sonnenuntergänge, Salsa tanzen (versuchen) und was man halt sonst so an paradiesischen Stränden machen kann. Ich habe mich so verliebt in den Ort, dass ich plane, den gesamten Juni dort zu verbringen und surfen zu lernen. Wenn sich bis dahin nicht schon wieder alles ändert.

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