Sonntag, 1. April 2012

Schlechte Laune

Seit Acapulco hatte ich die Krise. Die Stadt ging mir unvorstellbar auf die Nerven und vor allem die ganzen widerlichen Dreckstypen darin. Ich hab es vermutlich schon erwähnt, dass man nicht vor die Tür gehen kann, ohne angehupt, angepfiffen oder sonst wie belästigt zu werden. Noch dazu gelte ich hier als blond und kriege von jedem, mit dem ich länger als drei Sätze rede, den Namen "Blondie" verpasst. Und wie man sich vorstellen kann, finde ich das als Frau mit Gehirn nicht so super. Ich frag mich, was für eine dämliche Bratze man sein muss, um diese Art von sexistischen Respektlosigkeiten gut zu finden. Gibt aber scheinbar Einige. Ich freue mich jedenfalls schon auf ein Land, in dem die Männer angemessene Minderwertigkeitskomplexe haben. Hier trauen sich selbst die mexikanischen Frauen nicht alleine im Dunklen vor die Tür. Ich glaube leben könnte ich hier nicht. Es würde mich einfach zu wütend machen. Also kanalisiere ich den Hass in körperliche Betätigung. Ich habe zu joggen begonnen und meine erste Lucha Libre Stunde genommen. Minah, eine Bekannte von Nina aus Wien, hat mich in den Norden der Stadt in eine Art halb aufgelassenes Kaufhaus mitgenommen. Im oberen Stockwerk war alles leer bis auf einen Boxring, der in einer Ecke stand. Es gab keine Sanitärsanlagen, keine Garderoben, nicht einmal Licht, nur dieses Boxring. Darauf lag ein muskulöser Mann Mitte 50 und schlief. Es war Negro Navarro, Wrestling-Star und mein zukünftiger Boxlehrer. Zuerst hat er mich sehr kritisch angeschaut, ich glaube, er hat mir das Training nicht zugetraut. Aber schon beim Aufwärmen hab ich ihm vom Gegenteil überzeugt, nachdem ich alle Sit- und Push-ups verbissener gemacht habe als der Rest. Ich habe die selben Übungen gemacht wie die anderen Schüler, hauptsächlich so Ringergriffe am Boden, mit Armen und Beinen, die in den meisten Fällen damit enden, dass einer den Kopf zwischen die Beine des anderen stecken muss. Wrestling ist ein bißchen wie Yoga, nur dass man zu zweit ist und schreit. Ich hab gleich gewusst, dass ich eine natürliche Begabung dafür haben werde und so war es dann auch. Der Lehrer war äußerst zufrieden und hat gesagt, ich lerne sehr schnell. Angst hatte ich nur vor der ersten Rolle, weil man die so beschwingt aus dem Stand am Boden macht und dann wieder aufspringt, das sah sehr nach Genickbruch aus. Das Schmerzniveau war minimal aber wenn man vom Thaiboxen Fusstritte ins Gesicht gewöhnt ist, dann kommt einem fast alles vor wie ein Kindergeburtstag. Aber vielleicht waren die anderen auch nur besonders zärtlich mit mir. Mit dem Sport und den unglaublichen Muskelkater danach legte sich auch langsam mein Groll. Am nächsten Tag wollte ich die Soliparty des örtlichen Roller Derby Teams besuchen, diese war allerdings in irgendeinem Vorort von Mexico City, in den zwar ein Zug fuhr, dessen Fahrplan ich aber dank mangelender Spanischkenntnisse nicht herausfinden konnte. Meinen Spanischkurs habe ich übrigens geschmissen, weil der Kurs voller Idioten und Rassisten war und da ist mir meine Zeit dann doch mehr wert als mein Geld. Auf jeden Fall habe ich das Problem gelöst, in dem ich ins Roller Derby Forum geposted habe, ob mich jemand mitnehmen kann und prompt hat sich ein junger Mann genommen, der mit dem Motorrad hinfährt und noch einen Platz freihat. Das war mir etwas suspekt und ich musste gleich an den Motorradfahrertisch im Rehabilitationszentrum denken, an dem nur amputierte, junge Männer saßen, aber dem Abenteuer einer Motorradfahrt durch den weltschrecklichsten Verkehr konnte ich auch nicht widerstehen. Es war auch wirklich grauenhaft, da gerade Rush Hour war und ich habe mit diesesm Ausflug sicher einige Grundsteine für zukünftige Lungenerkrankungen gelegt aber dafür konnte ich dann auch zu einer mexikanischen Black Metal Band tanzen und Agua Loca mit Horchata trinken. Die Roller Derby Teams von Mexiko sehen alle recht jung und rührend nostalgisch aus mit ihren Piercings, ihren bunten Haaren und den Netzstrumpfhosen. Leider fast alle etwas schüchtern aufgrund mangelender Englischkenntnisse. Der Motorradfahrer, der selber in der Männermannschaft spielt, hat am Rückweg natürlich versucht mich anzubraten, worauf ich begonnen habe, ihn zu ignorieren. Unhöflich, ja, aber diesen ewigen "you are so beautiful"-Scheiss von jedem, der 3 Sätze mit dir spricht, finde ich nicht minder unhöflich. Am Montag fahre ich dann mit Max nach Oxaca, seit heute ist ja Semana Sanata in Mexico, das wichtigste, religiöse Fest hier. Jetzt drehen alle Katholiken durch.

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