Sonntag, 11. März 2012

Beso!

20 Millionen Menschen leben in der Metropolregion Mexico City. Natürlich ist eine der ersten Personen, die ich hier kennenlerne, eine Wienerin, mit der ich gemeinsame Bekannte habe. Nina ist vor über zehn Jahren ausgewandert und lebt mittlerweile in Mexico City, ist Mitglied bei der VBKÖ (Vereinigung bildener Künstlerinnen Österreichs) und eine Bekannte von Veronika. Veronika hat ihr sogar erzählt, dass ich nach Mexiko komme und wir uns doch treffen sollen. Gut, Künstlerinnennetzwerke sind klein aber dennoch, wie groß ist die Chance in so einer riesigen Stadt? Getroffen habe ich sie, weil Max und Lou mich auf einen Lucha Libre (mexikanisches Wrestling) Kampf mitgenommen haben, dessen Besuch von Nina organisiert hat. Sie schreibt nämlich gerade eine Doktorarbeit zum Thema Lucha Libre am Goldsmith College. Meine erste Show hab ich schon am Dienstag gesehen. Ich erinnere mich, irgendwann mal einen Artikel gelesen zu haben, in dem der Autor der Meinung war, Wrestling sei die erhabenste Form von Theater, die es heutzutage noch gibt. Bisher konnte ich das nie nachvollziehen aber es ist wie bei fast allen richtig guten Dingen: man muss es selber und live erleben. Allein das wohlige Schauern beim Betreten der Arena voller kreischender Fans und schreiender Tortillaverkäufer! Die Kämpfe sind choreographiert und die Sportler in Wahrheit darauf bedacht, einander nicht weh zu tun, dennoch sind die akrobatischen Leistungen beeindruckend, vor allem bei der Körperfülle mancher. Sie stellen sich auf die Ringseile, machen einen Rückwärtssalto und knallen mit voller Wucht und im ganzen Saal gut hörbar, trotz der lauten, billigen Tanzmusik, auf den Boden auf und tun sich scheinbar nicht weh dabei - wie das funktioniert, ist mir nach wie vor ein völliges Rätsel. Und als wäre das noch nicht Unterhaltung genug, tragen alle Wrestler die absurdesten Fantastykostüme. Jeder hat seinen eigenen Charakter entwickelt, die Bandbreite reicht von Black Metal über Herr der Ringe bis Superheld, hauptsache, es ist eng, schrill und gefährlich. Die kommerziellen Kämpfe folgen den üblichen, altbackenen Geschlechterrollen, nicht so hingegen Lucha Libre Exotica: In dieser speziellen Form des Luchas treten Drag Queens gegeneinander an. Und das ist wirklich die großartigste Show, die man sich überhaupt vorstellen kann. Die Kostüme könnten aus Filmen wie Priscilla oder Hedwig and the Angry Inch sein. Eine einzige Pailetten-, Federn- und Extensionsorgie. Die aufwendigeren Teile werden jedoch für den Kampf abgelegt, da die Damen sich ernsthaft sportlich betätigen. Vielleicht mit einem Hauch weniger Akrobatik als die Herren am Dienstag, dafür mit mehr Spass und Facesitting. Nun bin ich ob all des Glamours topmotiviert, auch diese edle Sportart zu erlernen und plane den Besuch einer Lucha Libre Schule. Die dafür benötigten Talente (Stil, Brutalität, Aufmerksamkeitsdefizit) besitze ich ja schon reichlich. Einen Lucha Libre Exotica Kampf kann man übrigens auch gewinnen, in dem man den Gegner küsst. Darum schreien die Besucher immer BESO!

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen